Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Rede zum Haushaltsentwurf 2017 von Rolf Kohn, Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im LWL

Rede von Rolf Kohn zur Debatte des LWL-Haushalts 2017 in der Sitzung der Landschaftsversammlung am 2.2.2017:

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,

  • noch nie habe ich in den letzten 7 Jahren ein solches Schachern und Feilschen um die Landschaftsumlage erlebt…
  • noch nie habe ich erlebt, dass Sie als Mitglieder der Landschaftsversammlung Ihren Verband zu Hause in ihren Städten und Kreisen so wenig verteidigt haben.

Und es ist doch unglaublich, daß Sie in den Städten einfach die 5 Mrd. Entlastung einkassieren – die eigentlich für die Eingliederungshilfe gedacht waren – ohne ein Wort darüber zu verlieren…Und es ist unglaublich, daß keiner von Ihnen diese Entlastung als Argument für den Landschaftsverband in die Debatte eingeworfen hat.

Sie wissen manchmal wirklich nicht, welchen Hut Sie gerade aufhaben. Manchmal habe ich den Eindruck, Sie wissen auch nicht, welcher Kopf darunter steckt…..

Unter Ihrer Haushaltspolitik werden Menschen mit Behinderung auch in Ihren Kreisen und Städten leiden müssen, Schaden nehmen. Denn sie trifft die jahrelange Unterfinanzierung des LWL.

Dazu kommt leider noch eine Verwaltung, die zuerst ein Argumentationspapier für eine höhere Umlage an die Mitglieder der Landschaftsversammlung verschickt….. und dann wirft genau diese Verwaltung ihre Argumentation über den Haufen und die Landschaftsumlage dem Dortmunder Oberbürgermeister zum Fraß vor.

Dadurch sind wir in der Argumentation für eine ausreichende Umlage gegenüber den Kommunen und Kreisen unglaubwürdig geworden.

 

Meine Damen und Herren,

Menschen mit Behinderung sind im Durchschnitt ärmer, länger arbeitslos, können am gesellschaftlichen Leben nicht oder weniger teilnehmen. Ihnen wird die politische Beteiligung durch Barrieren verwehrt oder erschwert. Etliche von ihnen müssen im Heim leben, z.B. Senioren.

Viele Menschen mit Behinderung haben sich deshalb an den Diskussionen für ein gutes Bundesteilhabegesetz beteiligt. Und sie waren wütend und enttäuscht, als sich abzeichnete, dass sich ihr Leben sogar teilweise noch verschlechtern wird. Deswegen sind sie auf die Straße gegangen und haben vehement demonstriert, in Köln, Düsseldorf und Berlin und vielen anderen Städten.

Trotz aller Proteste und Kämpfe hat der Bundestag mit den Stimmen von CDU und SPD ein Gesetz beschlossen, dass in großen Bereichen das Leben von Menschen mit Behinderungen verschlechtert und verschlechtern wird.

 

Zwei Beispiele:

Nach dem Bundesteilhabegesetz ist z.B. Zwangspooling erlaubt: mehrere Menschen mit Behinderung müssen sich dann eine Assistenz teilen. So wird die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung radikal beschnitten.

Oder: In den letzten Monaten wurde bekannt, dass einige Sozialämter versuchen, Menschen mit Behinderung, die bisher in einer eigenen Wohnung lebten, aus Kostengründen ins Heim zu nötigen. Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention! Und das BTHG macht dies weiter möglich!

Ich frage mich, was in Zukunft den Menschen mit Behinderung in Westfalen-Lippe bevorsteht, wenn das Gesetz umgesetzt wird unter dem Druck leerer Kassen….

 

Meine Damen und Herren von der CDU-SPD,

Das Sein bestimmt das Bewusstsein…….

Wenn die Politik Ihrer Bundesregierung weiter dafür sorgt, dass Menschen mit Behinderung nach und nach den sozialen und finanziellen Boden unter den Füßen verlieren, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass auch sie bei Pegida mitmarschieren.

 

Meine Damen und Herren,

Das Sein bestimmt das Bewusstsein –

 

und dadurch, dass Ihre Parteien seit Jahren die Gesetze geschaffen haben,

  • die Niedriglöhne zulassen
  • die Befristete Arbeitsverträge ohne Ende erlauben
  • die Renten kürzen
  • die Menschen durch Sanktionen demütigen

haben sie die Lebensbedingungen, das Sein für viele Menschen verschlechtert.

Wie können Sie erwarten, dass Menschen die Demokratie verteidigen, wenn Sie ihnen ein schlechtes Leben beschert? Der Rechtsruck hat soziale Ursachen und diese haben Sie in den letzten Jahren geschaffen…

Wir haben im Landesjugendhilfeausschuss den Antrag gestellt, die Mittel für das „Programm Partizipation und Demokratie“ zu erhöhen. Der Grund dafür war, dass die Hälfte der beantragten Maßnahmen trotz Förderfähigkeit aus Geldmangel abgelehnt wurde. Mit der Ablehnung unseres Antrages sorgen sie mit dafür, dass Partizipation und Demokratie von vielen Jugendlichen nicht geübt werden kann. Das ist angesichts der aktuellen politischen Entwicklung unverantwortlich!

 

Meine Damen und Herren,

mit der sogenannten Schwarzen Null und der Schuldenbremse opfern sie das selbstbestimmte Leben von Menschen mit Behinderung. Um diese Schwarze Null zu erreichen, ist Ihnen jede Kürzung recht:

Demnächst werden in den Hilfeplankonferenzen die Kostenträger dominieren. Dann werden  „Kosten gesteuert“…….

Kosten steuern ist Neudeutsch und heißt in Leichte Sprache übersetzt: es werden Leistungen für Menschen mit Behinderung gekürzt. Es gibt noch weitere Neudeutsche Begriffe von Ihnen:

„Haushaltskonsolidierung“ heißt übersetzt: Kürzung auf dem Rücken der Beschäftigten und der Menschen mit Behinderung….und ist Alles andere als solide..

„Standards überprüfen“ klingt wissenschaftlich ist es aber nicht – denn Ihr Ziel ist eindeutig: die Standards sollen gesenkt werden.

Einer dieser Standards sind die Lehrschwimmbecken an den Förderschulen. Und da wollen Sie dieses Jahr die Sense schwingen. Am Ende des Schuljahres soll das Lehrschwimmbecken in Soest geschlossen werden. Die Schließung würde eine erhebliche Einschränkung des Angebotes, der Förderung und der Möglichkeiten der Kinder bedeuten. Dies widerspricht eindeutig dem Gebot der UN-Behindertenrechtskonvention, Kinder mit Behinderung umfassend zu fördern!

Sie wollen dass mehr Menschen aus dem stationären Wohnen ins ambulant betreute Wohnen wechseln. Das könnte ein Weg in mehr Selbstständigkeit, mehr Selbstbestimmung sein – aber nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Damit dieser Weg erfolgreich sein könnte, müssten die Fachleistungsstunden erhöht werden – aber unseren Antrag dazu haben Sie abgelehnt!

 

Meine Damen und Herren,

seit Jahren hat das Land NRW die Zuschüsse für die Blindenhörbücherei nicht mehr erhöht. Das hat zur Folge, dass dort Personal abgebaut worden ist, dass weniger Hörbücher aufgesprochen werden können. Wir haben deshalb beantragt, dass der LWL der Blindenhörbücherei einen Zuschuss gibt – die Shylocks, die Hartherzigen des LWL haben das locker abgelehnt.

Auch hier wird Inklusion für blinde und sehbehinderte Menschen , wird Teilhabe weiter abgebaut…..

 

Meine Damen und Herren,

eine besonders peinliche Nummer – wenn ich das so locker sagen kann – sind die Mängel in der Barrierefreiheit bei den Gebäuden des LWL. Um das Aufzuzeigen haben wir die Sanierung einer Behindertentoilette im Gebäude an der Karlstraße beantragt. Denn: Ein Verband, der sich damit rühmt, für Menschen mit Behinderung da zu sein, kann sich keine Barrieren in seinen eigenen Gebäuden leisten!

 

Meine Damen und Herren,

Mit der von Ihnen geplanten Unterfinanzierung des Haushaltes 2017 des LWL wird nur die Unterfinanzierung der Kreise, Städte und Gemeinden geschönt. Die notwendige Lösung weiter hinausgeschoben. Während die Kommunen und Kreise die Möglichkeit haben, z.B. die Gewerbe- und die Grundsteuer zu erhöhen, verfügt der LWL über keine eigenen Steuereinnahmen. Er ist verpflichtet, seine Kosten über die Umlage zu decken.

Gleichzeitig werden beim LWL durch die viel zu geringe Anhebung der Landschaftsumlage Sachzwänge aufgebaut: Sachzwänge, Leistungen zu verschlechtern, Personal abzubauen und Standards herunterzufahren.

Frau Irrgang, Herr Sternbacher, verehrte Kollegen und Kolleg*innen von CDU und SPD – Ihr hastig in die Beratung eingebrachter Haushaltsbegleitbeschluss ist ein Witz, eine Luftnummer und ein Zeichen von Hilflosigkeit. Es ist eine Mischung von Banalitäten und Verwaltungsbashing, fast peinlich….

Meine Damen und Herren von CDU und SPD, es ist doch Ihre Bundesregierung, die die Städte und Kreise seit Jahren in den Ruin treibt.

Sie fordern in Ihrem Haushaltbegleitbeschluss, dass Land und Bund sich an den Kosten der Eingliederungshilfe beteiligen. Aber es waren doch Ihre Fraktionen, die sich im Bundestag gegen das Bundesteilhabegeld entschieden haben! Es waren Ihre Fraktionen!

 

Meine Damen und Herren,

Das Sein bestimmt das Bewusstsein:

Wenn wir unsere Demokratie stärken und erhalten wollen, müssen wir die soziale Lage der Menschen verbessern. Das Geld dafür müssen wir von denen nehmen die es haben. Dafür brauchen wir eine Vermögenssteuer, eine Umverteilung von Reich nach Arm..

Haben Sie den Mut dazu? Wollen Sie eine menschliche Gesellschaft? Eine wirklich inklusive und soziale Gesellschaft, in der Jung und Alt, Flüchtlinge und Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt, selbstbestimmt und ohne Barrieren zusammenleben?

Heute fällt dafür eine weitere kleine Entscheidung: Sie können diesen Verband weiter unterfinanzieren mit der Folge, dass sie nach und nach die Leistungen für Menschen mit Behinderung kürzen werden.

  • Sie könnten aber auch unserem Antrag für einen höheren Umlagesatz zustimmen und einen Schritt in die Richtung machen.
  • Sie könnten Ihre Bundestagskandidat*innen befragen, ob sie ein Bundesteilhabegeld unterstützen.
  • Sie könnten in Ihrem Bundestagswahlprogramm die Forderung nach einer Vermögenssteuer erheben.
  • Sie könnten auch den aktiven Protest der Bürger*innen und Bürger organisieren, für soziale und inklusive Städte und Kreise.

Ich glaube, eine Demonstration von 5000 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aus NRW vor dem Bundestag hätte 100 mal mehr Wirkung als eine Reise von 10 Bürgermeister*innen und Landräten zu Frau Merkel.

 

Meine Damen und Herren,

sie haben heute mal wieder die Wahl

zwischen 17,4 % Umlagesatzes als Kennzeichen für eine unsoziale, gegen Inklusion gerichtete Politik

oder 17,6 % als ersten Schritt in Richtung inklusive und soziale Gesellschaft.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Ach ja:

„Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ ist ein verkürztes Zitat aus der Schrift „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ von Karl MARX – immer noch lesenswert!