Meine Damen und Herren,
Das Gesundheitssystem ächzt unter der Last der Pandemie. Das ist wohl für jeden offensichtlich. Was nicht ganz so offensichtlich ist, aber nunmehr auch für fast jeden sichtbar wird, sind die strukturellen Probleme dieses Systems. Unser Gesundheitssystem hat also nicht nur mit der Last der Pandemie zu kämpfen sondern vor allem mit den Wirtschaftsinteressen von privaten Klinikbetreibern.
Wir alle haben in den letzten Wochen von der beabsichtigten Schließung der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum-Linden gehört. Auch dort wird eine wichtige Aufgabe, die Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen, den Kapitalinteressen des Krankenhausbetreibers Helios geopfert.
Wir sagen, der Landschaftsverband muss diesen Standort übernehmen.
Nicht etwa, weil wir es richtig finden, dass die öffentliche Hand immer wieder die Scherben von Kapitalisten zusammenkehren muss, sondern weil wir grundsätzlich der Ansicht sind, dass die Gesundheitsversorgung – nein, sogar alle Grundversorgungen, in öffentliche Hände gehören und nicht dem menschenverachtenden Wirtschaftssystem unterworfen sein dürfen.
Das bisher nichtöffentliche angedachte Vorgehen des LWL, lehnen wir ab.
Der Druck der Pandemie aber vor allem der Druck des Marktes haben auch beim LWL dazu geführt, dass ein Pflegestandort in Gütersloh geschlossen werden musste. Es sei kein Personal mehr da um die Versorgung aufrechtzuerhalten, hieß es. Das wundert mich nicht. Schauen sie sich doch die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen an. Es ist hier die Aufgabe der Politik dort gegenzusteuern.
Versprechungen über einen einmaligen Bonus für alle Pflegekräfte, wie Kanzler Scholz und Gesundheitsminister Lauterbach sie gemacht haben um sie dann kurze Zeit später doch wieder zu brechen, locken heute niemanden mehr hinterm Ofen hervor. Ein solches Verhalten verärgert die gesamte Bevölkerung. Es wird Zeit, dass sich die Sozialdemokratie wieder auf ihre Werte besinnt.
Auch in der Landschaftsversammlung, liebe SPD-Fraktion. Wenn sie z.B. der Meinung sind, dass unser Antrag für ein Modellprojekt zur kostenlosen Versorgung mit Menstruationsartikeln an LWL-Schulen richtig ist, dann winden sie sich nicht, sondern stimmen sie einfach zu selbst wenn er von DIE LINKE und Die PARTEI kommt.
Aber meine Damen und Herren, das Gesundheitssystem ist nicht das einzige, welches krankt, auch das System der Kommunalfinanzen bedarf einer gründlichen Umstrukturierung. Herr Löb hat diesem Thema einen großen Abschnitt seiner Rede zur Einführung des Haushaltsentwurfs gewidmet. Und das mit gutem Grund.
Viele Kommunen leiden unter chronischer Unterfinanzierung. Dies führt überall dazu, dass Kommunen die Verhältnisse vor Ort nicht mehr aktiv gestalten bzw. die Bedürfnisse vor Ort nicht mehr ausreichend bedienen können. Ihre Handlungsfähigkeit ist stark eingeschränkt und oftmals wird nur noch der Mangel verwaltet.
Auch in diesem Fall handelt es sich um ein strukturelles Problem.
Dieses Problem betrifft auch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Denn ist es nicht so, dass auch hier der Sozialetat immer weiter wächst ohne das Berlin auch die nötigen Mittel zur Verfügung stellt.
Nehmen wir hier nur mal die Eingliederungshilfe. Das zu drei-Vierteln eingeführte Bundes-Teilhabe-Gesetz hat zu einer finanziellen Entlastung bei Angehörigen geführt, und das ist auch gut so, aber zu einer Entlastung der Kostenträger leider nicht. Spätestens mit dieser Superreform, wäre es an der Zeit gewesen die Rechnung da zu begleichen wo sie hingehört, nämlich in Berlin.
Doch stattdessen haben in den vergangenen Jahrzehnten viele schwarze, rosa-rote, grüne und gelbe Landes- und Bundesregierungen ein Förderprogramm-Dschungel geschaffen bei dem man ohne Karte, Kompass und mindestens drei Lots:innen nicht den Hauch einer Chance hat.
Meine Damen und Herren,
uns erreichen immer wieder Beschwerden von Menschen mit Behinderung, deren notwendiger Bedarf auf Hilfsmittel vom LWL nicht bewilligt werden. Ja, der LWL entscheidet aufgrund von Gutachten der zuständigen Wohnberatungsstellen. Diese aber urteilen so restriktiv, weil der Landschaftsverband immer wieder auf Kostenkontrolle drängt. Wir wissen, es ist ein strukturelles Problem, aber, meine Damen und Herren, wir haben auch eine Pflicht gegenüber den Menschen die ein Recht auf diese Hilfe haben. Am 24. Februar 2009 hat die Bundesrepublik Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und somit ist diese geltendes Recht und muss von allen staatlichen Stellen umgesetzt werden.
Ähnliches gilt auch für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Im Juni des Jahres 2021 ist das KJSG ohne Übergangsfristen in Kraft getreten. In den Kommunen, aber auch im LWL ist die Umsetzung des Gesetzes – die im Übrigen längst hätte erfolgen müssen – mit dem aktuellen Personalschlüssel nicht zu realisieren. Zusätzliche Stellen müssen daher finanziert werden, aber genau davon ist im Haushalt nichts zu finden. Unseren Antrag zumindest im Bereich der „Heimaufsicht“ personell aufzustocken haben sie abgelehnt. Sie haben abgelehnt, obwohl ihnen bekannt ist, dass das KJSG genau diese Personalaufstockung beinhaltet. Das ist zum einen rechtlich grenzwertig, zum anderen aber auch die Verweigerung, Realitäten anzuerkennen und gesetzliche Vorgaben umzusetzen.
Aber, meine Damen und Herren, kommen wir nun von der Pflicht zur Kür.
Der LWL ist bei den Menschen vor allem für zwei Dinge bekannt. Zum einen als Kostenträger für die Belange von Menschen mit Behinderung und, für Kulturangebote. Bei vielen von den Aufgaben die durch den Landschaftsverband bewältigt werden handelt es sich um Pflichtaufgaben. Aufgaben bei denen wir nicht selbst entscheiden können, ob wir sie machen möchten. Aber eine gute Kommune und ein guter Landschaftsverband versucht auch immer etwas mehr als nur die Pflicht zu erfüllen. Eine ehemals gute freiwillige Leistung war die Förderung der Blindenhörbücherei. Diese leistet, mit ihren begrenzten Mitteln, einen wichtigen Beitrag zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Doch leider mussten wir feststellen, dass nicht jeder so firm ist, was die Belange von Menschen mit Behinderung angeht, wie wir dachten.
Wenn bei unserem Antrag, die Förderung der Blindenhörbücherei wieder ins Repertoir der freiwilligen Leistung aufzunehmen, im Ausschuss gefragt wird, ob wir sowas wie eine Blindenhörbücherei überhaupt noch brauchen, es gebe doch mittlerweile so viele Hörbücher, dann lässt mich das ein bisschen sprachlos zurück.
Wir haben zu diesem Haushalt viele gute Anträge in den verschiedensten Bereichen gestellt. Immer mit dem Ziel Demokratie zu fördern, mehr Teilhabe, Inklusion und Selbstbestimmung zu ermöglichen und den Abbau von sozialen Barrieren voranzutreiben.
Ein Antrag jedoch hat mit dem Ergebnisbericht zum aktuellen Stand des Jahres 2021 eine neue Brisanz erfahren. Unsere Forderung die Landschaftsumlage wieder auf 15,9 Prozent anzuheben. Wir dürfen nicht verdrängen, dass die pandemiebedingten Ausgleichzahlungen des Bundes nicht auf Dauer fortgesetzt werden. Spätestens 2025 wenn die Millionenschweren Schulden zurückgezahlt und die Einnahmeseite sich nicht wie durch ein Wunder signifikant verbessert hat, werden wir ein Problem bekommen. Es ist stark zu bezweifeln, dass wir dann noch die Möglichkeit haben, die Kommunen durch einen moderaten Hebesatz zu entlasten. Wir müssen jetzt wohl überlegt handeln.
Meine Damen und Herren, Ich möchte meine Rede nicht beenden ohne noch auf ein anderes wichtiges Thema einzugehen: Die RWE-Aktien!
Wir erinnern uns an die letzte Wahlperiode wo der Druck von Grünen, LINKEN und der Öffentlichkeit dazu geführt haben, dass zumindest ein Viertel der Aktien veräußert wurden. Ein Teilerfolg, immerhin. Sie können sich sicherlich denken wie erfreut wir diesbezüglich waren als klar war, die Grünen in der Landschaftsversammlung werden Teil der Koalition.
Bei der Lektüre des Koalitionspapiers stieß ich auf folgenden Absatz:
„Oberstes Ziel der Anlagenpolitik des LWL und seiner Tochterunternehmen sowie Stiftungen ist es, die Anlagestrategie nachhaltig zu gestalten. Vor diesem Hintergrund wird auch die Beteiligung an der RWE AG bis Ende 2022 ergebnisoffen neu bewertet.“
Mein erster Gedanke war, „endlich stoßen wir die restlichen Aktien des Klimasünders RWE ab. Aber ein zweiter Blick ließ meine Zuversicht schwinden. „…ergebnisoffen neu bewerten…“ das ist weit entfernt von einer klaren Absage. Aber bis Ende 2022 hat die Grüne Fraktion ja noch jede Menge Zeit ergebnisoffen ihre unumstrittenen Grundsätze zu diskutieren.
Meine Damen und Herren wir können diesem Haushalt in dieser Form nicht zustimmen.
Vielen Dank