Bei ihrer Konferenz „KoloNIEdagewesen – Preußen postkolonial“ hat die Fraktion DIE LINKE. Die PARTEI im LWL mit wissenschaftlichen und künstlerischen Beiträgen die Folgen des Kolonialismus für die heutigen Gesellschaften aufgearbeitet. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Perspektive des Widerstands in den kolonialisierten Gesellschaften und der Umgang der staatlichen Institutionen bis in die heutige Zeit mit dem Thema.
Die Fraktion DIE LINKE. Die PARTEI im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat am 6.+7. Mai 2023 im Ständersaal des LWL-Preußenmuseums in Minden eine Konferenz mit dem Titel „KoloNIEdagewesen? – Preußen postkolonial“ durchgeführt.
Kolonialismus ist eine Frage der Perspektive. Der Blick in die Vergangenheit erfolgt immer aus Blickrichtung der Gegenwart und ist von der jeweiligen kulturellen Prägung gefärbt. Die koloniale Geschichte ist längst nicht abgeschlossen. Bis heute wirken koloniale Kontinuitäten, ungleiche Verteilung, Privilegien, Ausbeutung, Rassismen…
Ziel der Konferenz war es den Themenkomplex Kolonialismus in die Gegenwart holen. Auf der Suche nach (kultur-)politischen Antworten hat die Fraktion einen Beitrag zur Dekolonialisierung geleistet. Dabei war der Ort der Konferenz, das LWL-Preußenmuseum Minden mit Bedacht gewählt, steht dieses Museumsgebäude – die ehemalige preußische Defensionskaserne – doch für den überbordenden Militarismus des preußischen Staates.
Zu Beginn der Konferenz am Samstag gab es für die Teilnehmenden das Angebot im Rahmen von zwei museumspädagogischen Themenführungen die Sonderausstellung „Schwarz weiß. Preußen und Kolonialismus“ des Museums zu besichtigen. Bei den Themenführungen konnten verschiedene Aspekte des Kolonialismus und seine Wirkungen und Konsequenzen anhand verschiedener Biografien und Ereignisse herausgearbeitet werden.
Am Samstagnachmittag referierte Carla de Andrade Hurst, Diversity Managerin am Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, unter dem Titel „RESIST! Die Kunst des Widerstands“. Aus der Perspektive einer Diversity Managerin an einem ethnologischen Museum sowie aus der Widerstandsperspektive stellte die Referentin Experimente und Umsetzungen einer ‚dekolonialisierenden Praxis vor. Das Beispiel der Ausstellung „RESIST! Die Kunst des Widerstands“ zeigt, wie die Partizipation derer, die bisher wenig bis gar keine Stimme im Museum hatten, umgesetzt werden kann. (Präsentation von Carla de Andrade Hurst)
Anschließend wurde durch Tahir Della, Promotor für diasporische Perspektiven in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit im Berliner Promotorenprogramm, ISD Bund e.V., Mitglied von glokal e.V., unter dem Motto „Geschichte als Ressource begreifen“ eine praktische Übung durchgeführt. Unterschiedliche Sichtweisen auf die Geschichte wurden mit Hilfe der Zeitstrahl-Methode untersucht. Zitate im Kontext von Klasse, Geschlecht, Sexualität und Rassifizierung stellten Ressourcen für die Workshopteilnehmenden dar. Die Zeitstrahlzitate überraschten, schafften Irritationen, hinterfragten Denkmuster, empowerten. Durch die Verbindung mit eigenen Erfahrungen, Gedanken und Ideen eröffneten sich neue Perspektiven. (Zeitstrahl-Zitate von Tahir Della)
Zum Abschluss des Samstags referierte Dr. Burkhard Wiebel, Neuropsychologe, Ruhr-Universität Bochum und Mitglied der Fraktion DIE LINKE. Die PARTEI im LWL, zum Thema „Postkoloniale epistemische Gewalt“. Gegenstand des Referats war der Begriff „Epistemische Gewalt“ von Claudia Brunner. Er bezeichnet jene Gewaltförmigkeit, die mit unserem Wissen zu tun hat. Der postkoloniale Aspekt betrifft die globalen Dimensionen von Ungleichheitsverhältnissen, die immer auch Gewaltverhältnisse sind.
Parallel zu der Konferenz konnten die Teilnehmenden die Wanderausstellung „Ein Platz an der Sonne? Der lange Schatten der deutschen Kolonialzeit“ des Eine Welt Netzes NRW im Ständersaal ansehen. Die deutsche Kolonialzeit bis heute in mehrfacher Hinsicht relevant – so beispielsweise im Bereich globaler wirtschaftlicher Beziehungsgeflechte, beim Thema Flucht und Migration, oder wenn es um Rassismus und Identität in Deutschland geht. Die kleine Wanderausstellung blickt in die Vergangenheit, damit wir die Gegenwart besser verstehen können und für die Zukunft etwas lernen. Es geht hier also nicht so sehr um geschichtliche Details, sondern um den langen Schatten, den eine vermeintlich abgeschlossene Geschichte wirft.
Am Sonntag gab es in den Räumen der Sonderausstellung „Schwarz weiß, Preußen und Kolonialismus“ des LWL-Preußenmuseums eine künstlerische Intervention von Pascal Schmidt, Tänzerin (Sie/Ihnen/they/them) aus Hamburg. Angelehnt an eine Arbeit zum Gemäldeklassiker „Der Wanderer“ von Caspar David Friedrich verdeutlichte sie in ihrer Transformation die Ambivalenz zwischen romantischer Natursehnsucht und dem über der Natur stehenden weißen Herrenmenschen. Pascal Schmidt wurde in Nepal geboren und lebt in Hamburg. Sie hat u.a. beim Bundesjugendballett und beim Hamburg Ballett John Neumeier getanzt und ist Mitglied beim Künstler*innen-Kollektiv House of Brownies.
Im anschließenden Tanzworkshop begleitete Pascal Schmidt die Teilnehmenden dabei, ihren Körper als Ausdrucksmittel zu entdecken.