Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Haushaltsrede 2014

Haushaltsrede 2014 von Rolf Kohn, Fraktionssprecher DIE LINKE., in der Sitzung der Landschaftsversammlung vom 30.1.2014:

Rolf Kohn, Fraktionssprecher DIE LINKE. im LWLSehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,

Ein gewisser Karl Marx hat schon vor mehr als 100 Jahren den Grundgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention formuliert:
„Jeder nach seinen Fähigkeiten – jedem nach seinen Bedürfnissen“.

Dieser Satz wurde schon damals in leichter Sprache formuliert und heisst nichts Anderes als: Jeder Mensch soll nach seinen Fähigkeiten die Gesellschaft gestalten können. Und: Jeder Mensch soll das für ihn Notwendige erhalten, damit er gut leben, arbeiten, lieben, essen, sich bilden und wohnen kann, das sein kann, das ihn als Menschen ausmacht.

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, oder anders gesagt, die Umsetzung dieses Grundgedankens der marxistischen Theorie, ist die Aufgabe des LWL. Sie als Politiker und Politikerinnen setzen hierfür die Eckpunkte, und sollten die personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen.
Sie sehen, Sie waren in den letzten Jahren schon immer heimliche Marxisten, haben aber nie den Mut gehabt, sich zu outen. Nur einer hier hatte den Mut dazu, sich als Marxismuskenner zu präsentieren – aber dazu später.

Meine Damen und Herren,
Dem Anspruch auf ein gutes Leben und die Möglichkeit der Gestaltung und Veränderung unserer Gesellschaft wird unser kapitalistisches Gesellschaftssystem nicht gerecht. Wir leben in einer Zeit der wachsenden Verarmung ganzer Bevölkerungsteile, der Kinder- und Altersarmut, der Entdemokratisierung, des Zwangs und der Überwachung.
Die Möglichkeiten, selbstbestimmt sein Leben und das Leben der Gesellschaft zu gestalten und ein gutes Leben nach seinen eigenen Bedürfnissen zu führen, werden immer mehr eingeschränkt. Und dies gilt für viele Menschen, aber besonders für Menschen mit Behinderungen.
Und auf der anderen Seite gibt es eine ungeheure Ansammlung von Reichtum und Macht.

Meine Damen und Herren,
was hat das mit dem LWL zu tun, was mit der Debatte um den Haushalt – Ich meine, sehr viel und werde das im Folgenden auch deutlich machen.

Verehrte Kollegin Müller von den GRÜNEN,
in den letzten Jahren habe ich immer wieder an Sie denken müssen…….
Nach meiner Rede vor drei Jahren, in der ich auf das „menschenverachtende und neoliberale Konzept“ der Politik im LWL hingewiesen habe, waren Sie sehr entrüstet und getroffen. Ich habe das nicht vergessen. Ich würde das heute nicht mehr so formulieren.
Heute sage ich aber – und ich weiss nicht, ob dies angenehmer ist – die Politik der Mehrheitsfraktionen, auch Ihrer Fraktion, und der CDU-Fraktion im LWL führt zu:
–    Lohndumping und Altersarmut
–    zu weniger Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen
–    zur weiteren Verschuldung des LWL
–    zur Senkung der Standards für Menschen mit Behinderungen
–    zu Krankheit und Überarbeit der Beschäftigten beim LWL und in der Behindertenhilfe

Das ist die konkrete Folge der Politik Ihrer Fraktionen. Und diese wird von Ihnen immer mehr forciert. Ich will im Folgenden einige Beispiele nennen und die Folgen für die betroffenen Menschen darstellen.

Meine Damen und Herren,
Meine Fraktion DIE LINKE hat in den letzten Jahren immer wieder die Debatte um die Umsetzung des Tariftreue- und Vergabegesetzes bei LWL angestossen. Bzgl. der Vergabe von Aufträgen der Beförderung von Menschen mit Behinderungen wissen wir mittlerweile von mindestens zwei Firmen, die Hungerlöhne zahlen:
5,22 EURO die Stunde bekommen im Kreis Recklinghausen die Busfahrer, die Menschen mit Behinderungen zur Werkstatt fahren. Ihre Begleitpersonen bekommen sogar nur 4,11 EURO! Viele von ihnen beziehen Hartz IV und bekommen von diesem geringen Verdienst noch einen Teil angerechnet. Das sind staatlich subventionierte Hungerlöhne im Auftrag des LWL!
Unternehmen, die Tariflohn bezahlt haben und Vollzeit-Stellen hatten, wurden im Kreis Borken durch ein Unternehmen abgelöst, das schlecht bezahlte Minijobs anbietet. Einen Teil der Arbeitszeit der Beschäftigten wird erst gar nicht bezahlt: Das ist die geplante Altersarmut, das sind geplante Sozialkostensteigerungen im Auftrage des LWL! Das treibt die Kommunen weiter sehenden Auges in die Pleite!
Lohndumping und Altersarmut – vom LWL geduldet und gefördert!

Meine Damen und Herren,
Das Persönliche Budget könnte für Menschen mit Behinderung die Möglichkeit bieten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, mit der Hilfe von Assistenz selbstbestimmt zu wohnen oder zu arbeiten. Dies wäre eine Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. So wird das Budget auch vom LWL in bunt bebilderten Broschüren angepriesen!
Unsere Fraktion DIE LINKE hatte eine umfangreiche Anfrage zum Persönlichen Budget gestellt. Die Beantwortung dieser Anfrage, das Ergebnis der gesamten Vorlage der Verwaltung war niederschmetternd: Das persönliche Budget wird kaum genutzt, die Zahlen haben sich – nach anfänglichem Aufschwung – um mehr als 1/3 verringert! Nach dieser Antwort habe ich eine intensive Debatte im Sozialausschuss erwartet – Fehlanzeige! Weder die Verwaltung noch der Sozialausschuss wollte über die Ursachen oder gar über Lösungen reden.
Damit das Persönliche Budget von Menschen mit Behinderungen genutzt werden kann, müssen gute Bedingungen geschaffen werden, wie umfangreiche und ausreichende Leistungen, umfangreiche und kostenfreie Beratung und Begleitung, die Finanzierung guter Arbeitsbedingungen für die Assistent_innen und gut ausgebildete Sachbearbeiter. All dies ist zu wenig vorhanden und anscheinend auch nicht gewollt.
Mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung – Fehlanzeige!

Meine Damen und Herren,
ich muss und werde Sie immer wieder darauf hinweisen, daß Sie mitverantwortlich sind für die finanzielle Misere der Kommunen und Kreise und somit auch des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Es waren Ihre Parteien, die Banken und Kapital gefördert und entlastet haben, auf Kosten der Öffentlichen Hand.
Sie sind es, die die Debatte nicht mehr darüber führen, wie wir als Menschen leben wollen, was ein gutes menschliches Leben führen heißt. Sie führen die Debatte so, dass gutes menschliches Leben nicht finanzierbar ist.  Und immer mit dem Gedanken im Kopf, es ist kein Geld da. Dabei ist es doch nur falsch verteilt: Umfairteilen sage ich da nur!

Meine Damen und Herren,
wenn wir in den letzten Jahren die Debatte um eine ausreichende Landschaftsumlage geführt haben, waren Sie immer die Ersten, die Alles versucht haben, die Umlage zu drücken. Sie haben mit dafür gesorgt, daß der Landschaftsverband hoch verschuldet ist.
„Wer bin ich und wenn ja wie viele“, müssen Sie sich wohl jeden Tag fragen: Während Sie in den Heimatkreisen und Ihren Heimatstädten alles dafür tun, auf Kosten der BürgerInnen und zugunsten der Banken die städtischen Haushalte zu sanieren, treiben sie den Landschaftsverband in die Schulden. Dort in ihren Städten und Kreisen fordern Sie Schuldenfreiheit und hier und heute treiben Sie den Landschaftsverband in den Ruin!
Wer von vornherein einen zu niedrigen Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst plant, riskiert einen Griff in die Rücklage.
Wer darauf stolz ist, daß jahrelang nur 2/3 der Tariferhöhung den Wohlfahrtsverbänden erstattet wird, der plant Arbeitsverdichtung und Krankheit für die Beschäftigten, Standardsenkung für die Menschen mit Behinderung, Outsourcing und Personalabbau ein.

Herr Dr. Löb,
Sie sagen in Ihrer Rede zur Einbringung des Haushaltes „Die Freie Wohlfahrtspflege hat sich dahingehend positioniert, dass eine weitere Vergütungsrunde unterhalb der tariflichen Steigerungen im TVÖD in der Mitgliedschaft kaum zu vermitteln ist. Ich muss Ihnen sagen, dass wir hierfür keine ausreichende Risikovorsorge im Haushalt 2014 eingeplant haben.“ Auch hier wird deutlich: Es wird damit geplant, dass diese Umlage nicht deckend ist, und der LWL sich weiter verschulden wird.
Herr Löb, meine Damen und Herren von den anderen Fraktionen, vielleicht sollten Sie sich mit Beschäftigten der Lebenshilfe unterhalten: die streiken z.Zt. für mehr Entgelt, weil sie jedes Jahr an Einkommen und Lebensqualität verloren haben, durch ihre Politik!

Meine Damen und Herren,
Während die Verwaltung vorhandene und vorhersehbare Ausgaben nicht einplant, überbieten Sie sich darin, die Umlage zu drücken. 16,4, 16,3 oder jetzt die CDU mit 16,2 – wer bietet weniger? Und Herr Paul verordnet den Wohlfahrtsverbänden Maßhalten bei den Entgeltverhandlungen mit dem LWL. Die Folgen dieses Handelns sind, daß auch in Ihren Kreisen und Städten immer mehr Menschen von Ihrer Arbeit nicht leben können und auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen sind!

Sehr geehrter Herr Dr. Noeker,
in ihrer Vorstellungsrede haben Sie sich als Marxismus-Experte geoutet:  In kurzen Worten haben Sie den marxistischen Begriff der Entfremdung erklärt. Vielleicht haben Sie sich dabei auch überlegt, was Entfremdung bzgl. der Arbeit in den Krankenhäusern und Pflegezentren des LWL heisst.
Wie hoch ist der Krankenstand dort? Wie wird die Arbeit – weg vom ganzheitlichen Menschenbild – in Minutenteile zerlegt? Was passiert, wenn menschliche Zuwendung gedeckelt und budgetiert wird?
Der LWL führt die Pflegesatzverhandlungen in der Altenpflege. Durchschnittlich arbeiten die KollegInnen nur noch 9 Jahre im Altenpflegeberuf – dann sind sie so krank, daß sie nicht mehr können oder retten sich in andere Berufe.

Meine Damen und Herren,
Zum Schluss will ich den Haushalt des LWL in die biblische Sprache übersetzen – die geplante Ausstellung „Die sieben Todsünden“ verführt ja gerade dazu.
Unkeuschheit macht sich beim LWL breit, Verstöße gegen die Sittlichkeit:
In der 60 Jahre-Festschrift des LWL werden Gartenarbeitsplätze als Möglichkeiten für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen angepriesen – in einer Vorlage  zum Outsourcing sollen gerade diese Arbeitsplätze outgesourct werden!
Oder: Ist es nicht unsittlich, wenn Sie in der Festschrift die Hilfe für die ehemaligen Heimkinder als Entschädigung bezeichnen?
Stolz sein auf Lohndrückerei, Unmässigkeit und Habsucht in der Gier nach mehr Profit aus der Provinzial und ihren Beschäftigten, Trägheit im Druck-Ausüben gegenüber der Unterfinanzierung der Kommunen
Das sind 5 Todsünden der Politik im LWL.
Unser Credo dazu ist: Das wird unsere Fraktion DIE LINKE nicht mittragen und will es auch nicht mit verantworten: Wir lehnen diesen Haushalt ab!