Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Der LWL tut Gutes!
Dieses Motto bezeichnet treffend die Arbeit des Landschaftsverbandes: Für die Mitgliedskommunen organisiert der LWL überregional Behinderten- und Eingliederungsarbeit, psychiatrische Versorgung und außerdem eine reiche und vielfältige Kulturszene.
Über 90 Prozent dieser Arbeit ist gesetzlich festgelegt. Dass bedeutet, sie muss getan werden – gleich ob vom LWL oder den Kommunen. Der Landschaftsverband hat in den Jahren, in denen er für diese Aufgagen zuständig ist, große Kompetenzen entwickelt. Die Arbeit wird in einer hohen Qualität und sehr viel effektiver, das heißt auch kostengünstiger geleistet, als das die einzelnen Mitgliedskommunen könnten. Das ist gut so und das begründet die Existenz des Landschaftsverbandes.
Die Kosten steigen. Gleichzeitig sind die Bedingungen für die Kommunen schwieriger geworden, weil die Einnahmen sinken. Bei gleichem Hebesatz sinken so auch die Einnahmen des Landschaftsverbandes. Des Landschaftsverband Rheinland hat deshalb reagiert und seine Landschaftsumlage von 15,2 auf 15,7 Prozent erhöht.
Die große Mehrheit dieser Versammlung will dagegen die Landschaftsumlage in Westfalen-Lippe bei 15,2 Prozent belassen. Das finden wir nicht seriös. Das gefährdet die Arbeit und die Qualität des Landschaftsverbandes.
Mit einem gleichbleibenden Hebesatz für die Umlage weist der Haushalt des Landschaftsverbandes in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von über 90 Millionen Euro aus. Zum Ausgleich müssen Kredite aufgenommen werden. Damit wird ein Drittel der maximal möglichen Kreditaufnahme allein in einem Jahr fällig. Die Zinszahlungen werden den Haushalt zusätzlich langfristig belasten.
Der Landschaftsverband hat in den letzten 10 Jahren alles nur mögliche getan, um die Ausgaben zu senken und die Arbeit zu effektiveren. Personalabbau mit Arbeitsverdichtungen sind immer wieder beliebte Mittel von Sparpolitik.
Unter anderem wurden fast alle Ertrag bringenden Beteiligungen verkauft. Der Erlös wurde zur Finanzierung des Haushalts ausgegeben. Das heißt auch in den vergangenen Jahren wurden die Leistungen des LWL nicht von den Mitgliedskörperschaften voll bezahlt. So sind die 30 Millionen Überschuss des letzten Haushaltsjahres auch der traurige Rest von 230 Millionen Euro, die der LWL für den Verkauf von Aktien bekommen hat. Der größte Teil ist für die Finanzierung der laufenden Haushalte daraufgegangen – auch in diesen Jahren wurden die Mitgliedskommunen geschont.
Im Ergebnis sind nicht nur die Beteiligungen weg, sondern natürlich auch die Erträge. Und das auf Dauer Wer heute behauptet, es gäbe noch nennenswerte Einsparpotentiale beim Landschaftsverband, lügt oder weiß nicht, wovon er spricht. Wer jetzt noch in großem Umfang Ausgaben kürzen will, muss ans Eingemachte: muss die Belastung der Beschäftigten fortsetzen und an die Qualität und die Standards der Aufgaben gehen. Angeblich ist das nicht gewollt. Fakt ist aber, dass es nicht anders gehen wird.
Die Devise: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, funktioniert eben nicht!
Der LWL tut Gutes!
Davon merken die Beschäftigten des Fahrdienstes Sonnenschein und Pader allerdings nichts. Mit Schlagzeilen wie „Sittenwidrig im öffentlichen Auftrag“ (ZDF vom 13. April), „Absurd niedrige Löhne“ (WDR-Fernsehen vom 28.März“) oder „Drei Euro pro Stunde für LWL-Auftrag“ (Westfälische-Nachrichten vom 15. April) hat sich der gute Ruf des Landschaftsverbandes in den letzten Wochen ins Gegenteil verkehrt. Und es nicht einmal ein neues Problem: Schon im Dezember 2008, also vor eineinhalb Jahren, berichtete die Frankfurter Rundschau über „Hungerlöhne tief im Westen“ und das von der Behörde – sprich dem Landschaftsverband Westfalen Lippe – geduldete Lohndumping.
Was die Beschäftigten hier erleben, ist der inzwischen scheinbar normale Wahnsinn des Wettbewerbes ohne Grenzen. Es ist die logische Folge des rigorosen „Sparkurses“, den der Landschaftsverband wegen der klammen Finanzen der Kommunen seit Jahren fährt. Indem der LWL hier „spart“, tut es nichts Gutes, sondern Unrecht!
Wir fordern die sofortige Kündigung der Verträge und die Vergabe nur an Unternehmen, die armutsfeste Löhne zahlen.
Das Beispiel weist aber auch auf zwei weitere Aspekte von blindem Kürzen hin:
Erstens schädigt sich die öffentliche Hand selber. Menschen, die von ihrem Lohn nicht leben können, bekommen oft aufstockende soziale Leistungen, die wiederum die Kommunen belasten. Sie zahlen keine Steuern und Sozialabgaben. Das heißt, was der LWL mit der einen Hand spart, muss er oder die Mitgliedskörperschaften mit der anderen Hand wieder ausgeben.
Rein betriebswirtschaftliche Ausgabenstrategien sind für staatliche Einrichtungen widersinnig. Die gesellschaftlichen Kosten für Ausgabenkürzungen fallen ihnen nämlich immer wieder – ob direkt oder indirekt – auf die eigenen Füße.
Zweitens zeigt der Fall Sonnenschein, dass dem LWL nicht nur die 90 Millionen Euro aus der Umlage fehlen. Wenn die Fahrer der Fahrdienste angemessen und nicht zu Hungerlöhnen bezahlt werden sollen, werden sie natürlich teurer. Dann reichen die angesetzten Mittel bei weitem nicht aus. Also ein Grund mehr, die Landschaftsumlage zu erhöhen.
Ein zweites Beispiel für widersinniges Sparen ist die Vergabe der Postdienstleistungen an das Unternehmen TNT. TNT erlangte traurige Bekanntheit dadurch, dass es die Bildung und die Arbeit von Betriebsräten behindert. Mit einer Scheingewerkschaft wurden Tarifverträge aushandelt, die gesetzliche Mindeststandards unterlaufen. Inzwischen gibt es nach jahrelangen Auseinandersetzungen bei TNT Betriebsräte. Wie die Armutslöhne bei TNT auf die öffentliche Hand zurückschlagen ein Zitat: So äußert sich der erst jüngst in den GBR gewählte Betriebsratsvorsitzende Dieter Klever. „9.80 € Mindestlohn müssen weiterhin der Maßstab für die Entlohnung der Kollegen sein. Bei einem Verdienst von 7.50 € oder 7.60 € müssen sehr viele Beschäftigte Hartz IV beantragen.“
Bei der ersten Behandlung unserer Anfrage zu TNT im Finanz- und Wirtschaftsausschuss wurde immerhin deutlich, dass nicht nur die Bezahlung der Beschäftigten schlecht ist, sondern auch die Qualität der Dienstleistung: viele Mitglieder der Landschaftsversammlung und sachkundige Bürger erhalten ihre Post über TNT oft nur ein mal in der Woche – auch dann, wenn sie nicht in abgelegenen Ortschaften wohnen. Man kriegt Qualität eben nicht umsonst, erst recht, wenn es privaten Unternehmen vorrangig um Gewinne und Marktanteile geht.
Es wird höchste Zeit, dass die Verträge mit TNT gekündigt und die Arbeit zu Bedingungen vergeben werden, die den Beschäftigten mehr als Hungerlöhne sichern.
Meine Damen und Herren,
Die Finanzprobleme der Kommunen erleben auch wir in unseren Gemeinden.
Wir wissen aber auch, dass diese Probleme in der Regel nicht selbst gemacht sind. Sie sind teilweise nicht einmal direkte Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Sie sind vielmehr Ergebnis der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen. Und die hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert.
Ich komme aus Bielefeld. Bielefeld hat bei einem Haushaltsvolumen von gut 800 Millionen Euro durch die Steuerpolitik der Bundesregierungen in den letzten drei Jahren ungefähr 35 bis 40 Millionen Euro Einnahmen strukturell verloren: 25 Millionen durch die Steuergesetze von Herbst 2008 bis Mitte 2009 im Zusammenhang mit den Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise, über 8 Millionen allein durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zum 1. Januar dieses Jahres, – das bekanntlich vor allem reiche Erben und Hotelbesitzer reicher macht – und weitere Millionen durch die Änderung der Unternehmenssteuerreform 2007. Das Geld ist strukturell, dass heißt auf Dauer weg.
So viel können die Gemeinden gar nicht kürzen, dass sie diese Steuerpolitik zu ihren Lasten auffangen könnten. Und der Landschaftsverband kann das auch nicht!!!
Verschlimmert wird diese strukturelle Unterfinanzierung durch die Politik der schwarz-gelben Landesregierung. Das KIBIZ führt für eine Stadt wie Recklinghausen, die ohnehin seit Jahren im Haushaltsdefizit ist, zu Mehrausgaben von einer Millionen Euro, die nicht vom Land ausgeglichen werden. Die Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung belastet die Kommunen gleichfalls. Alles nach dem Motto: den letzten beißen die Hunde!
Wir meinen, die Kommunen müssen sich wehren. Die Kommunen können über Gewerbesteuer und Grundsteuer ihre Einnahmen erhöhen. Die politischen Mehrheiten in vielen Kommunen, auch von Ihren Parteien, lehnen diese Einnahmemöglichkeit als unzumutbar ab. Dem Landschaftsverband sollen Einnahmekürzungen jedoch zumutbar sein?
Die strukturelle Unterfinanzierung der Haushalte ist durch Menschenhand gemacht, sie kann durch Menschenhand auch wieder geändert werden.
Es sind doch PolitikerInnen der gleichen Parteien, die hier für die Nichtanhebung der Landschaftsumlage eintreten, die auf Bundes- und Landesebene auch für die Finanzmisere der Kommunen verantwortlich sind.
Wir fordern Sie auf, kürzen Sie nicht die Einnahmen des Landschaftsverbandes, sondern zeigen Sie ein bisschen mehr innerparteiliche Konfliktfähigkeit!
Überzeugen Sie Ihre Parteifreunde davon, die Gemeindefinanzen gesetzlich so abzusichern, dass die notwendigen Leistungen auch bezahlt werden können. Damit helfen Sie Ihren Kommunen wirklich, und zwar grundlegend und auf Dauer!
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als kommunaler Verband kann dies nicht bewirken. Er ist als „Zwischenebene“ kaum in der Lage, wirksamen politischen Druck auf die Gesetzgeber auszuüben. Die Kommunen selbst können dies sehr viel wirkungsvoller. Dazu fordern wir Sie auf.
Erich Kästner hat einmal den Spruch geprägt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!
Der LWL tut Gutes! Dafür braucht er die nötigen finanziellen Mittel. Deshalb fordern wir sie auf, die Landschaftsumlage zu erhöhen.