Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Betrifft Aktion 3 (Artikel aus dem Münsteraner Straßenmagazin draußen! – Ausgabe April 2019)

Betrifft Aktion 3

Eine Ausstellung im LWL-Haus thematisiert NS-Plündereien  

Lang sind die Schatten des Dritten Reiches. Wer sie ausleuchtet, findet noch nach Jahrzehnten noch unbekannte Aspekte. Wie Antworten auf die Frage, was mit dem Eigentum der aus Münster und dem Münsterland deportierten Juden geschah. Auf eine besondere Ausstellung im Landeshaus weist draußen!-Redakteur Michael Heß hin.

Lang sind die Schatten des Dritten Reiches. Diese noch nach 75 Jahren auszuleuchten hilft eine Ausstellung in der Bürgerhalle des Landeshauses am Freiherr-vom-Stein-Platz 1 (vis a vis vom Paul-Gerhardt-Haus). Träger der Ausstellung “Betrifft: Aktion 3 Deutsche verwerten jüdische Nachbarn” ist die Gruppe der LINKEN in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe. Konzipiert wurde sie vom Düsseldorfer Historiker und Ausstellungsmacher Professor Wolfgang Dreßen, der vor etwa zehn Jahren durch das Projekt “Zug der Erinnerung” zum gleichen Thema einem breiten Publikum bekannt wurde. Von 1994 bis 2008 leitete er den Forschungsschwerpunkt “Rechtsextremismus und Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf. Für die vorliegende Ausstellung sichtete er Ende der 90er Jahre etwa 2.000 Akten der Oberfinanzdirektion Düsseldorf. Aus Kopien dieser Akten entstand, um Belege aus Westfalen bereichert, die Exposition. Sie ist zwar keine Wanderausstellung im eigentlichen Sinne doch machte sie in verschiedenen Städten Station. Münster wird nicht der letzte Ausstellungsort bleiben. Das Ziel der Schau ist die “Aufklärung über die seit Herbst 1941 unter dem Tarnnamen “Aktion 3” durchgeführte Ausplünderung von jüdischen Deportierten” wie Stefan Müller, Geschäftsführer der LINKEN im LWL begleitend schreibt.

Im Dritten Reich wurde der Raubzug gegen jüdisches Eigentum mittels Aktion 3 unter Federführung des Reichsfinanzministeriums legalisiert. Juristische Grundlage war die seit November 1941 geltende Bestimmung im deutschen Staatsbürgerschaftsrecht, dass das Eigentum von Personen, welche die deutsche Grenze dauerhaft  überschreiten, dem Reich anfällt. Eine perverse Regelung, galt sie doch auch für deportierte Juden, die ohnehin ihrer Vernichtung entgegen fuhren. Zugrunde lag die juristische Fiktion, die Deportierten würden freiwillig gen Osten fahren (tatsächlich ahnte lange Zeit niemand, was ihn im Osten erwartete). Mitzunehmen erlaubt war Bargeld bis 100 Reichsmark sowie 50 Kilogramm Gepäck. Alles andere hatte in den ehemaligen Wohnungen zu bleiben. Vorbereitend galten seit dem Sommer 1940 alle im Ausland lebenden Juden als “Reichsfeinde”. Der Hausrat aus den nun leeren Wohnungen gelangte entweder in die Hände diverser Verwerter wie der Winternothilfe. Oder Millionen “Volksgenossen” im gesamten Reichsgebiet profitierten von den Versteigerungen “nichtarischen Vermögens”. Bedeutsame Kunstschätze fielen dagegen automatisch der Reichskammer der Bildenden Künste zu. Aus solchen Beständen bedienten sich regelmäßig die Nazigranden (vor allem Hermann Görings Jagdsitz Karinhall in der Schorfheide nahe Berlin war mit Raubkunst drapiert), der Rest kam an deutsche Museen oder verschwand bis heute in verschwiegenem Privatbesitz (man denke auch an die Sammlung Gurlitt).

Wie Stefan Müller weiterhin schreibt, wurden über die Versteigerungen genau Buch geführt. Sperrfrist: 80 Jahre: “Das Beraubungsnetzwerk aus Finanzbehörden, Zoll- und Devisenstellen und Gestapo sowie diverser Berufsgruppen (Gerichtsvollzieher, Spediteure, Auktionatoren) war mit der Enteignung und Verwertung des Vermögens befasst.” Zuvor hatten die zu deportierenden Juden per Vermögenserklärung formal auf ihr Eigentum zu verzichten. Wie Professor Dreßen in anderem Zusammenhang erwähnte, kam selbst Spielzeug unter den Hammer. Im Wissen um dessen Herkunft; nirgends waren die Deportationen ein Geheimnis, ganz im Gegenteil.

Im Deutschland der Nachkriegszeit unterblieb die Aufarbeitung dieses Themas für Jahrzehnte. Das Beraubungsnetzwerk konnte kein Interesse an der Aufarbeitung des Themas haben. Analog zu den Verbrechen der Wehrmacht kam es erst ab den 90er Jahren zu ernsthaften Versuchen historischer Gerechtigkeit. Erschwert durch den Umstand der “quasifaktischen Rechtsstaatlichkeit” des Vorgehens im Dritten Reich. Dessen Finanzbürokratie arbeitet streng nach Vorgaben “von oben”. Dass es auch hier kein richtiges Leben im Falschen geben konnte – die Erkenntnis brauchte Zeit wie Historiker die gewillt waren, sich gegen alle Widerstände des Themas anzunehmen.

Die Ausstellung ist vom 29. März bis zum 25. April im Landeshaus zu sehen. Ein Begleitprogramm aus Filmvorträgen, Führungen und Podiumsdiskussionen rundet die eigentliche Schau ab.