Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Antwort der Verwaltung zur Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum Hilfefonds für die ehemaligen Heimkinder, die in der Zeit von 1945 bis 1975 in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht waren

Die Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 30.05.2016 (Drs.-Nr. 14/0827) wird wie folgt
beantwortet:

Frage 1:
Wie viele ehemalige Heimkinder haben sich bis zum 31.12.2014 bei der Anlauf- und
Beratungsstelle gemeldet?

Antwort der Verwaltung:

Leistungsberechtigte:
1.910 (1.028 Männer, 882 Frauen)

Nicht Leistungsberechtigte:
165 (98 Männer, 67 Frauen) Gründe: Behindertenhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie, vor 1949, nach 1975, Erben, Internat

Unzuständig, Recherchen für andere Anlaufstellen:
zusätzlich 546

Verspätete Meldungen:
2015: 287 (nachträglich anerkannt 10; 2 im Prüfverfahren der Geschäftsstelle)
2016: 58

Frage 2:
Wie lange dauert es bis es zu einem Termin für ein Beratungsgespräch kommt?

Antwort der Verwaltung:
Die derzeitige Wartezeit für persönliche Beratungstermine beträgt weniger als ein Monat.
Zwischenzeitlich lag die maximale Wartezeit bei rund 11 Monaten. In dringenden Fällen
konnten stets kurzfristige Termine vereinbart werden.

Frage 3:
Wie häufig ist der Kontakt zu den Hilfesuchenden?

Antwort der Verwaltung:
Die Kontaktfrequenzen zu Betroffenen sind sehr unterschiedlich:
– Durchschnittlich 1,5 persönliche Kontakte (face to face)
– Zusätzlich – je nach individuellem Bedarf – zwischen 3 und 40 Telefonkontakte. Diese
unterscheiden sich in der Art und Dauer erheblich.
– Sofern die psychische/physische Belastung für einen Betroffenen zu hoch ist, um ein
persönliches Gespräch zu führen, werden auf Wunsch alle Angelegenheiten auch ausschließlich schriftlich und/oder telefonisch geklärt.

Frage 4:
Wie lange sind die Bearbeitungszeiten pro Antragsteller*in?

Antwort der Verwaltung:
Nach der Meldung (bis Ende 2014) und Erhalt aller notwendigen Unterlagen von den Betroffenen wurde nach dem Nachweis der Heimunterbringung geforscht. Die Verfahrensdauer ist abhängig von der Rückmeldung der Meldebehörden oder Einrichtungen.
– Lagen sämtliche notwendigen Informationen vor, wurde umgehend die Vereinbarung für Rentenersatzleistungen angefertigt und zur Geschäftsstelle beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten in Köln versandt. Im Interesse der Betroffenen sind die Rentenleistungen vorgezogen worden, weil hierfür kein persönlicher Kontakt erforderlich war.
– Derzeit werden hauptsächlich Termine vereinbart mit den Betroffenen, die sich Ende 2014 zum ersten Mal gemeldet haben.
– Zudem wird mit allen Betroffenen erneut Kontakt aufgenommen (Meldungen seit Beginn der Laufzeit), die bisher nur Rentenersatzleistungen erhalten, nicht aber eine Vereinbarung über materiellen Hilfebedarf abgeschlossen haben.

Frage 5:
Wie lange müssen die ehemaligen Heimkinder warten, bis entsprechende Hilfeleistungen erfolgen, entsprechende Zahlungen geleistet werden?

Antwort der Verwaltung:
Nach dem persönlichen Kontakt wird die Vereinbarung erstellt und zur Geschäftsstelle beim Bundesamt versandt. Dies ist spätestens nach 4 Wochen der Fall.
In der Geschäftsstelle liegt die Bearbeitungszeit für die grundlegende Schlüssigkeitsprüfung bei derzeit ca. 11 Monaten. Es wird an einer Verkürzung der Bearbeitungszeiten gearbeitet. Die Anweisung konkreter Geldbeträge erfolgt nach Vorlage entsprechender Nachweise binnen 4 Wochen.

Frage 6:
Wie hoch ist der durchschnittliche Betrag, den die ehemaligen Heimkinder an geldwerter Leistung bewilligt bekommen?

Antwort der Verwaltung:
Bis auf wenige Ausnahmen erhalten alle Betroffenen Leistungen im Gegenwert der möglichen 10.000,00 EUR.

Frage 7:
Wie viele ehemalige Heimkinder haben Anspruch auf Rentenersatzleistungen?

Antwort der Verwaltung:
Bislang: 1.018
durchschnittliche Zahlung in bislang 920 Fällen: 6.980,00 EUR

Frage 8:
Wie viele Mitarbeiter*innen sind in der Anlauf und Beratungsstelle tätig?

Antwort der Verwaltung:
In der Anlauf- und Beratungsstelle arbeiten zwei Frauen (1 VZK; 1 x 32h) und drei Männer (2 VZK; 1 x 15h) mit sozialpädagogischer Ausbildung. Weitere Unterstützung erfolgt durch einen Juristen und eine Verwaltungskraft.

Frage 9:
Werden alle Fälle bis zum 31.12.2018 bearbeitet sein?

Antwort der Verwaltung:
Für die Aussteuerung des Fonds haben die Errichter verbindliche Termine vorgegeben:
– Abschluss aller Vereinbarungen in den Anlauf- und Beratungsstellen und Übersendung an die Geschäftsstelle: 30.06.2017
– Abschluss aller Schlüssigkeitsprüfungen in der Geschäftsstelle: 21.12.2017
– Übersendung aller geprüften Rechnungen an die Geschäftsstelle 31.08.2018

Frage 10:
Werden die Mitarbeiter*innen der Anlauf- und Beratungsstelle auch weiterhin beschäftigt und für die zukünftige Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ tätig werden?

Antwort der Verwaltung:
Das entspricht dem derzeitigen Planungsstand. Für die personelle Besetzung der Anlaufstelle für die Stiftung wird es auf das Datum der Tätigkeitsaufnahme, die Regularien der Leistungsgewährung und insbesondere auf die Anzahl der hilfesuchenden Betroffenen ankommen.

Frage 11:
Hat die Verwaltung einen Überblick und Zahlen, wie viele Kinder in Kinder- und
Jugendpsychiatrien und stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe untergebracht waren?

Antwort der Verwaltung:
In Vorbereitung der Errichtung der Stiftung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Herrn Dr. J. Jungmann, ehemaliger Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Weinsberg, mit der „Ermittlung der Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die in den Jahren 1949 bis 1975 in der Bundesrepublik Deutschland sowie in den Jahren 1949 bis 1990 in der Deutschen Demokratischen Republik in Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. stationären psychiatrischen Einrichtungen Unrecht und Leid erfahren haben“ beauftragt. Diese Machbarkeitsstudie kommt zu folgendem Ergebnis:
– 182.700 (66.500 in der BRD + 116.200 in der DDR) in der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebrachte Minderjährige
– 73.300 (49.600 in der BRD + 23.700 in der DDR) in Einrichtungen der Behindertenhilfe untergebrachte Minderjährige. Um eine mögliche „Überlappung“ der errechneten Fallzahlen durch konsekutive Behandlung der Betroffenen in beiden Einrichtungsformen zu beachten, wurde ein Abzug von 17,5% bezüglich der in Behinderteneinrichtungen versorgten (= 12.800) Personen vorgenommen.
– Nach dieser Studie waren im maßgeblichen Zeitraum 243.200 Minderjährige in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht.

Frage 12:
Welche Informationskanäle wird die Verwaltung nutzen, um über die Stiftung Anerkennung und Hilfe zu informieren?

Antwort der Verwaltung:
Die Errichter (Bund, Länder und Kirchen) planen eine bundesweit einheitliche Öffentlichkeitsarbeit.