Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Antwort der Verwaltung auf die Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Auswertung des Projektes PiA und Fortsetzung

Projekt PiA („Perspektive in der Altenhilfe“)
Qualifizierung von Menschen mit wesentlichen Behinderungen für betreuende Tätigkeiten in der Altenpflege nach § 87 b SGB XI

Das Projekt PiA wurde in einer ersten Auflage (PiA I) im Zeitraum 1.1.2014 bis 30.06.2015 von einer Unterorganisation des DRK-Landesverbands Westfalen-Lippe durchgeführt, und zwar von seiner Betriebswirtschaftlichen Beratungs- und Service GmbH. Diese ist verantwortlich für das Qualitätsmanagement in DRK-Einrichtungen der stationären Altenhilfe in Westfalen-Lippe. Ort der Durchführung war Meschede im Hochsauerlandkreis (HSK). Als Kooperationspartner war der Integrationsfachdienst (IFD) für den HSK eng eingebunden.

„PiA I“ wurde vom LWL-Integrationsamt im Rahmen des LWL-Budgets für Arbeit, und zwar aus dem Sonderprogramm aktion5 als innovatives Projekt (§ 7 der Richtlinie zur aktion5) mit 76.922,- Euro gefördert. 3 Werkstattbeschäftigte und 5 Jugendliche aus Förderschulen wurden zu Betreuungskräften mit unterstützenden Aufgaben einfacher Art in Einrichtungen der stationären Altenhilfe qualifiziert.

Tragende Projektidee war und bleibt weiterhin, die gesellschaftlichen Herausforderungen ‚Pflegenotstand‘ und ‚Inklusion‘ miteinander zu verknüpfen. Junge Menschen mit umfänglichen Lernschwierigkeiten und Einrichtungen der stationären Altenhilfe sollen voneinander profitieren. Ausgangshypothese war auch, dass aufgrund des bestehenden und weiter zunehmenden Fachkräftemangels die Beschäftigungschancen in der Altenhilfe zunehmen, diese sich jedoch nicht von selbst ergeben. Vielmehr gilt es, niedrigschwellige Aufgaben in der Altenhilfe zu einem eigenständigen Tätigkeitsprofil zusammenzufassen und für diese zielgruppenadäquat in einer Mischung aus Training on the Job und curricularer Unterweisung zu qualifizieren sowie passend zu platzieren.

PiA bildet allerdings keine Pflegehelfer aus. Die Ausbildung zum Pflegehelfer ist eine staatlich anerkannte einjährige Ausbildung mit Prüfung. Bei PiA geht es um eine Qualifizierung, die sich an den Richtlinien zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 87 b SGB XI (siehe Fußnote) orientiert.

Im ersten Durchlauf lernten die Teilnehmenden an 3 bis 4 Tagen in der Woche die betriebliche Wirklichkeit von Einrichtungen der stationären Altenhilfe im HSK kennen. In einem teilgeschützten und vom IFD begleiteten Rahmen erfuhren diese schrittweise den altenpflegerischen Arbeitsalltag. Für den Praktikumseinsatz dienten alle Arbeitsbereiche von Einrichtungen der stationären Altenhilfe, von der Hauswirtschaft über den Technikbereich bis zur Pflege von Außenanlagen. Die betreuenden Tätigkeiten beinhalteten u. a. die Begleitung bei Spaziergängen, Beschäftigungsangebote, Gedächtnistrainings, Angebote zur Mobilitätsförderung für Menschen mit Demenz und das Anreichen von Mahlzeiten. Die Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer konnten alle erforderlichen Grundqualifikationen nach § 87 b SGB XI erwerben. Das Curriculum beinhaltete fachspezifischen Unterricht u. a. in Rückenschule, Erster Hilfe, Hygiene, basaler Stimulation, Umgang mit Sterben und Tod sowie die Kenntnis von häufigen Krankheitsbildern im Alter.

In regelmäßigen Reflexionsrunden berichteten die Teilnehmenden von ihren Erfahrungen in den jeweiligen Einrichtungen. Durch die Praktika konnten Altenhilfeeinrichtungen die jungen Menschen mit Handicap und deren Fähigkeiten in Ruhe kennenlernen, auch im Hinblick auf eine mögliche spätere Beschäftigung.

7 Teilnehmende waren Schülerinnen und Schüler verschiedener Förderschulen im Hochsauerlandkreis, 5 hiervon besuchten die Berufspraxisstufen der Förderschulen für Geistige Entwicklung (Kardinal-von-Galen Schule in Eslohe und Mariannhillschule in Arnsberg), 2 Schülerinnen befanden sich im vorletzten Schulbesuchsjahr der Schule an der Ruhraue, einer Förderschule für körperlich-motorische Entwicklung in Olsberg. Alle Schülerinnen und Schüler werden nach den Richtlinien für die Förderschwerpunkte Geistige Entwicklung oder Lernen beschult, bei einigen lagen weitere motorische Handicaps vor. Sie bewältigten teilweise wegen des ländlichen Raums ohne Murren einen Anfahrtsweg mit dem ÖPNV von einer Stunde zum Schulungsort Meschede. Weitere 3 Teilnehmer waren Beschäftigte aus den Arbeitsbereichen dreier Werkstätten für behinderte Menschen. Sie waren zwischen 21 und 38 Jahre alt. Auch sie nehmen zum Teil lange Anreisen in Kauf. Die Mitwirkungsbereitschaft der Werkstätten im HSK zur Gewinnung weiterer WfbM-Beschäftigter ließ jedoch zu wünschen übrig.

Ergebnisse des Projektes

Die Beurteilung des Projektes, unter anderem mittels standardisierter Fragebögen, fiel durchweg positiv aus. Die Teilnehmenden begrüßten ihre persönliche Fortentwicklung, den Gewinn an Wissen, an praktischen Fertigkeiten und an Erfahrung. Die Einrichtungen der stationären Altenhilfe zeigten sich überrascht von der Leistungsfähigkeit und von den besonderen Fähigkeiten der „87er“ in spe-Betreuungskräfte, insbesondere von der Akzeptanz, der Geduld und dem freundlich-zugewandtem Verhalten, mit der diese alten und verwirrten Menschen begegneten. Sie ergänzten die Arbeit der Pflegekräfte, ohne zu diesen in Konkurrenz zu treten.

Zwei Teilnehmer (TN) des Projektes wechselten direkt nach Projektende in ein Altenheim, 1 weiterer ist noch mit Hilfe des IFD auf der Suche nach einer passenden Tätigkeit;1 TN nimmt an einer weiterführenden Maßnahme der Agentur für Arbeit teil, 1 TN ist wieder längerfristig psychisch erkrankt, 3 TN (Schüler) erwiesen sich als noch nicht reif für den Arbeitsmarkt und besuchen noch weiterhin die Schule. Ein Projektergebnis war die Erkenntnis, dass sich ältere TN aus Werkstätten besser eignen als Schülerinnen und Schüler.

Vergleichbare Projekte/Fortführung

Ein paralleles Qualifizierungsprojekt in der Altenhilfe, das Projekt CURA wurde vom 1.7.14 bis zum 31.12.15 vom DRK Borken (IFD-Träger) durchgeführt und zwar mit 8 Werkstattbeschäftigten. 1 TN wurde danach direkt vermittelt, 5 TN arbeiten noch auf ausgelagerten Werkstattplätzen in Altenheimen, allerdings mit der Perspektive der Umwandlung in reguläre Beschäftigung, 2 TN arbeiten auf ausgelagerten Werkstattplätzen, bei denen keine Perspektive auf Übernahme in reguläre Erwerbsarbeit besteht.

Zurzeit laufen zwei weitere mit „aktion5“ geförderte Qualifizierungs-Projekte im Bereich der Altenhilfe:
– Das DRK Westfalen-Lippe hat PiA II aufgelegt, und zwar für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus WfbM in Münster, den Kreisen Warendorf, Steinfurt und Borken sowie Coesfeld; Durchführungszeitraum: 1.8.2016 bis 31.1.2018.
– Die Diakonischen Werkstätten Minden führen ein ähnliches Projekt ebenfalls mit WfbM-Beschäftigten durch, und zwar vom 1.8.2015 bis zum 31.1.2017. Deren Träger ist auch in der Altenhilfe „unterwegs“.
– Ein weiteres Pilotprojekt dieser Art ist in Dortmund bei der Werkstatt Gottessegen in Kooperation mit dem Diakonischen Werk geplant.

Ausblick

Die Verwaltung wird gegen Ende 2017 nach Auswertung der Erfahrungen und Ergebnisse aus den o.g. weiteren Pilotprojekte gemeinsam mit dem DRK Westfalen-Lippe über die Projektergebnisse zusammenfassend berichten und ggf. Vorschläge zur Verstetigung und Ausweitung des Qualifizierungsangebots unterbreiten.

Fußnote: Das Erste Pflegestärkungsgesetz, das am 1. Januar 2015 in Kraft trat, sieht den Einsatz von Betreuungskräften nach § 87 b SGB XI für alle pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohnern vor. In enger Kooperation und fachlicher Absprache mit den Pflegekräften und den Pflegeteams betreuen und begleiten die zusätzlichen Betreuungskräfte z. B. beim Lesen, beim Basteln, beim Spazierengehen oder zu kulturellen Veranstaltungen. Es soll erreicht werden, dass den betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern bzw. Pflegegästen durch zusätzliche Betreuung und Aktivierung mehr Zuwendung und eine höhere Wertschätzung entgegen gebracht, mehr Austausch mit anderen Menschen und mehr Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht wird. Pflegerische Aufgaben gehören hingegen nicht zum Aufgabenbereich der zusätzlichen Betreuungskräfte. Die Kosten für das Zusatzpersonal werden durch die gesetzlichen und privaten Pflegekassen getragen.