Zur Gesetzesänderung bei Arbeitsentgelten, auf die Werkstattbeschäftigte nach § 138 Abs. 2 SGB IX einen Rechtsanspruch haben, formuliert die Fraktion „Die Linke“ 6 Fragen. Frage 1 nimmt Bezug auf eine Stellungnahme der LAG der Werkstatträte (liegt nicht vor). Danach wurde von einigen WfbM-Geschäftsleitungen die Anpassung der Entgeltordnungen angekündigt. Die Steigerungsbeträge sollen gekürzt werden, um die ab 1.8.2016 um 5,-€ gestiegenen Grundbeträge auszahlen zu können.
Frage 1: Ist dem LWL diese Vorgehensweise bekannt und wie beurteilt er das Vorgehen?
Ankündigungen dieser Art sind bisher nicht bekannt geworden.
Der LWL prüft jährlich die Höhe und Verwendung der Arbeitsergebnisse aller westf.-lipp. Werkstätten. Mindestens 70% des Arbeitsergebnisses muss als Arbeitsentgelt an die Beschäftigten ausgezahlt werden. In den westf.-lipp. Werkstätten werden aber durchschnittlich 90% der Arbeitsergebnisse an die Beschäftigten weitergegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen werden eingehalten.
Frage 2: Gibt es Beschwerden, Nachfragen oder Schreiben von Werkstatträten, Beschäftigten oder Betreuer*innen zu diesem Thema?
Nein, solche Schreiben haben die Verwaltung bisher nicht erreicht.
Frage 3: Sind die gebildeten Rücklagen einer WfbM dafür da, um solche Entgeltschwankungen aufzufangen?
Die Ertragsschwankungsrücklage gem. § 12 Abs. 5 Nr. 2 WVO ist dafür da, die Entgeltverpflichtungen der WfbM gegenüber den behinderten Beschäftigten aufgrund von Werkstattverträgen im Zusammenspiel mit den Lohnordnungen auch in ertragsschwachen Jahren erfüllen zu können. In wirtschaftlich guten Jahren sollten 70% des Arbeitsergebnisses ausreichen, um die Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Es kann auch vorkommen, dass 80, 90 oder 100% des Arbeitsergebnisses ausgezahlt werden müssen oder in wirtschaftlich ganz schwachen Jahren selbst 100% des Arbeitsergebnisses nicht ausreichen. Dann müssen die fehlenden Mittel der Ertragsschwankungsrücklage entnommen werden. Sollte eine WfbM eine Erhöhung des Grundbetrages um 5 Euro aus dem Arbeitsergebnis vorübergehend nicht zahlen können, so kann sie die Ertragsschwankungsrücklage belasten. Bei dauerhafter Fehldeckung muss das Entgeltsystem angepasst werden.
Frage 4: Hat der LWL darüber Informationen und einen Überblick darüber, ob 70% des Arbeitsergebnisses der WfbM für die Entgeltzahlungen aufgewandt werden?
Ja (siehe auch Frage 1). Alle 61 WfbM melden jährlich u.a. das Arbeitsergebnis und die ausgezahlten Arbeitsentgelte. Der LWL prüft, ob die 70%-Regelung eingehalten wurde. Im Mittel werden in Westfalen-Lippe ca. 90% des Arbeitsergebnisses an die Beschäftigten ausgezahlt (Tendenz steigend).
Frage 5: Wie werden Werkstatträte darin unterstützt, die sachgemäße Ermittlung des Arbeitsergebnisses zu überprüfen?
Die geltende Werkstätten-MitwirkungsVO beschreibt das Recht der Werkstatträte in Bezug auf das Arbeitsergebnis der Werkstatt in § 5 „Mitwirkungsrechte“ Abs. 3 a):
„Darstellung und Verwendung des Arbeitsergebnisses, insbesondere Höhe der Grund- und der Steigerungsbeträge, unter Darlegung der dafür maßgeblichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse.“
Danach haben Werkstatträte kein Mitwirkungsrecht bei der sachgemäßen Ermittlung des Arbeitsergebnisses.
6. Frage: Kann die Erhöhung des Grundbetrages für die Beschäftigten einen Verlust des Kindergeldes nach sich ziehen?
Nein. Eltern erhalten für ein Kind mit Behinderung ohne altersmäßige Begrenzung Kindergeld, wenn das Kind wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Bundeskindergeldgesetz). Ein Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es mit eigenen finanziellen Mitteln seinen notwendigen Lebensbedarf nicht decken kann. Der notwendige Lebensbedarf setzt sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf sowie dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Der allgemeine Lebensbedarf bemisst sich nach dem in § 32 a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG festgelegten Grundbetrag, der aktuell 8.652,00 € im Jahr beträgt. Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf gehören alle mit einer Behinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen wie z.B. Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens sowie für die Pflege.
Reichen die finanziellen Mittel des Kindes für die Deckung des notwendigen Lebensbedarfs nicht aus, können die Eltern Kindergeld beanspruchen. Überschreiten die finanziellen Mittel hingegen den Lebensbedarf des Kindes auch nur um einen Euro, fällt das Kindergeld weg. Die finanziellen Mittel des Kindes umfassen seine steuerpflichtigen Einkünfte, seine steuerfreien Einnahmen sowie Leistungen Dritter. Dazu zählt das Arbeitsentgelt für die Beschäftigung im Arbeitsbereich einer WfbM. Da sich das Arbeitsentgelt aus dem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag zusammensetzt, führt die Erhöhung des Grundbetrags um 5 Euro zu einer Erhöhung der finanziellen Mittel des Kindes. Wenn das Kind aufgrund dieser (geringen) Erhöhung nunmehr in der Lage ist, seinen notwendigen Lebensbedarf zu decken, hätte die Erhöhung des Grundbetrags den Verlust des Kindergeldes zur Folge. In Anbetracht der Tatsache, dass sich der kontinuierlich angestiegene und zuletzt 2016 erhöhte Grundfreibetrag für den allgemeinen Lebensbedarf auf 8.652,00 € im Jahr/721,00 € im Monat beläuft, ist die aufgezeigte Rechtsfolge aber sehr selten, da der durchschnittliche Werkstattlohn deutlich niedriger liegt.