Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Anfrage der Gruppe DIE LINKE zu Medikamentenversuchen an ehemaligen Heimkindern – hier: Maßnahmen und Erkenntnisse beim LWL

Anfrage zur Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses am 16.3.2020:

Am 5.2.2020 hat im Landtag NRW eine Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales stattgefunden. Ein Tagesordnungspunkt dieser Sitzung war: „Erforschung des Medikamenteneinsatzes in Kinderheimen, Einrichtungen der Öffentlichen Erziehung und heilpädagogischen und psychiatrischen Anstalten“.

Zu diesem Tagesordnungspunkt wurde die Verwaltung des LVR gebeten, den Sachstand des Projektes „Einsatz und Erprobung von Medikamenten an Kindern und Jugendlichen 1945-1975“ dem Landtag zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Anlass stellen wir die nachstehenden Fragen:

1.) Wurde die Verwaltung des LWL ebenfalls gebeten, einen Bericht über die Erkenntnisse des LWL über den Medikamenteneinsatz in Kinderheimen, Einrichtungen der Öffentlichen Erziehung und heilpädagogischen und psychiatrischen Anstalten im Verbandsgebiet zur Verfügung zu stellen?
Wenn ja, wird dieser Bericht dem Landesjugendhilfeausschuss zur Verfügung gestellt und auf der Tagesordnung der Sitzung des nächsten Landesjugendhilfeausschuss behandelt?

2.) Hat ein*e Vertreter*in der Verwaltung des LWL an der Sitzung am 5.2.2020 im Landtag teilgenommen?

3.) Gibt es eine Vorlage für den Landtagsausschuss, in der auch über Einrichtungen und Vorkommnisse aus dem Verbandsgebiet des LWL berichtet wird?

4.) Gibt es Anfragen, Anschreiben oder Telefonate, oder andere Formen der Kommunikation, in denen sich ehemalige Heimkinder wegen Medikamentenversuchen an den LWL gewandt haben?

5.) In der Berichtsvorlage 14/1112 vom 14.2.2017 schreibt die Verwaltung „Gemeinsam mit dem LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte wird geprüft, inwieweit zu dem Bereich der Jugendhilfe über die schon geleistete Aufarbeitung im Zusammenhang mit dem Fonds Heimerziehung hinaus Ansätze für ein weiteres Forschungsprojekt im LWL bestehen.“ Inzwischen gibt es viele neue Erkenntnisse und Berichte über das Ausmaß der Medikamentenversuche. Was hat die Prüfung der Verwaltung ergeben?

6.) „Selbstverständlich besteht das Interesse der Verwaltung, die Verantwortung des LWL auch zum Thema Medikamentenversuche an ehemaligen Heimkindern aufzuklären. Das gilt darüber hinaus auch für Medikamentenversuche in Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Eine abteilungsübergreifende Vorlage an die entsprechenden Ausschüsse wird hierzu erstellt.“ (Zitat Vorlage 14/1112). Ist die angekündigte Vorlage fertiggestellt worden und wenn nicht, warum nicht?

7.) Der LVR hat zum Thema „Einsatz und Erprobung von Medikamenten an Kindern und Jugendlichen in den Jahren 1945-1975“ schon 2017 ein Projekt beschlossen. Plant die Verwaltung angesichts der wachsenden Erkenntnisse über den großen Umfang der Medikamentenversuche ein eigenes Projekt für das Verbandsgebiet des LWL?

Mit freundlichen Grüßen!

Roland Koslowski                                                Rolf Kohn
Mitglied im                                                           stv. Mitglied im
Landesjugendhilfeausschuss                              Landesjugendhilfeausschuss

f.d.R. Stefan Müller
Gruppengeschäftsführer


Mündliche Antwort der Verwaltung (Landesrätin Birgit Westers) auf die oben genannte Anfrage (zitiert aus der Niederschrift der Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses am 16.3.2020):

Frau Westers führt aus, dass der Landschaftsverband Rheinland (LVR) im Landtag zu den Ergebnissen einer noch unveröffentlichten Studie zum Thema „Medikamentenversuche an Heimkindern“ berichtet habe. Der LWL sei nicht zur Berichterstattung aufgefordert worden, so dass es weder eine LWL-Vorlage für den Landtagsausschuss noch eine Teilnahme des LWL an der Landtagssitzung gab.

Hinsichtlich der weiteren Fragen müsse differenziert werden. Die Anfrage beschränke sich auf Medikamentenversuche. Im Nachgang zu der angesprochenen Vorlage aus dem Jahr 2017 habe sich der Erkenntnisstand weiterentwickelt. Im Bereich der Jugendhilfe habe der LWL das Thema Heimerziehung in Westfalen von 1945 – 1980 umfangreich durch das LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte erforscht und dokumentiert. Weder bei dieser Forschungsarbeit noch in den Gesprächen, welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fonds Heimerziehung mit über 2.000 Betroffenen geführt haben, hätten sich Hinweise auf Arzneimittelstudien in den Jugendhilfeeinrichtungen ergeben. Im Ergebnis lägen dem LWL im Bereich der Heimerziehung in Westfalen-Lippe keine Hinweise auf Medikamententestreihen vor. Der LWL-Psychiatrieverbund habe auf Nachfrage mitgeteilt, dass das gleichermaßen für sie gelten dürfe.

Die Ergebnisse der Studie des LVR seien noch nicht veröffentlicht worden. Die Verwaltung hatte angekündigt eine ressortübergreifende Vorlage zu erstellen. Da es jedoch keine Anhaltspunkte gebe, wurde darauf verzichtet.