Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Anfrage der Gruppe DIE LINKE. im LWL zu barrierefreien Mund-Nase-Schutzmasken

Anfrage an die Verwaltung vom 18.5.2020:

Sehr geehrter Herr Löb,

seit der Einführung der Pflicht Mund-Nase-Schutzmasken zur Vermeidung von Ansteckungen durch Corona zu tragen, haben Menschen mit einer Hörbehinderung, die von den Lippen ablesen müssen, ein großes Problem. Die üblichen Schutzmasken sind aus Stoff oder Papier. Deshalb entfällt die für diesen Personenkreis für die Kommunikation notwendige Möglichkeit, das Mundbild abzulesen.

Es gibt jedoch eine Alternative: Es gibt Schutzmasken mit einem Sichtfenster über dem Mund. Diese ermöglichen dem Gegenüber das Mundbild und die Mimik abzulesen.

Wir bedauern es, dass von den für Katastrophenschutz zuständigen Behörden nicht genügend Vorsorge getroffen wurde um die Bevölkerung mit ausreichend vielen Schutzmasken zu versorgen. Umso mehr begrüßen wir es, dass der LWL in seinen Einrichtungen Schutzmasken produziert.

In diesem Zusammenhang möchten wir um die Beantwortung der folgenden Fragen bitten:

  1. Kann der LWL Schutzmasken mit Sichtfenster kurzfristig auf dem freien Markt erwerben und seinen Mitarbeiter*innen in allen Einrichtungen (WfbM, Schulen, Wohnheimen, Beratungsstellen, Verwaltungsabteilungen) bedarfsgerecht zur Verfügung stellen?
  1. Besteht die Möglichkeit, dass der LWL zur Verbesserung der barrierefreien Kommunikation in Eigenregie solche Schutzmasken produziert?
  1. Kann der LWL auf Nachfrage auch Menschen mit einer Hörbehinderung diese Masken zur Verfügung stellen, damit diese sie an ihre Gesprächspartner*innen weiterreichen können? Falls ja, ist eine kostenlose Weitergabe an Betroffene möglich?

Mit freundlichen Grüßen!

Stefan Müller
Sachkundiger Bürger
Geschäftsführer DIE LINKE. im LWL


Antwort der Verwaltung auf die Anfrage (Texthervorhebungen im Original):

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre o.g. Anfrage. Dem LWL ist es ein besonderes Anliegen, Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung eine möglichst einschränkungsfreie Teilhabe am (Arbeits-)Leben und Bildung zu ermöglichen. Diese Zielsetzung war auch Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Frage des Einsatzes von Schutzmasken mit Sichtfenstern im Umfeld von Menschen mit einer Hörbehinderung.

Nach entsprechender Markt- und Fachrecherche durch die Verwaltung möchte ich Ihre Fragen wie folgt beantworten.

Antwort zu Frage 1: „Kann der LWL Schutzmasken mit Sichtfenster kurzfristig auf dem freien Markt erwerben und seinen Mitarbeiter*innen in allen Einrichtungen (WfbM, Schulen, Wohnheimen, Beratungsstellen, Verwaltungsabteilungen) bedarfsgerecht zur Verfügung stellen?“

Eine Marktrecherche hat ergeben, dass es sich überwiegend um Kleinbetriebe und „aus der Not heraus geborene“ Eigeninitiativen handelt (z.B. Hörgeräteakustikerin, die in Eigenregie Masken für ihre Kunden herstellt), die Mund-Nase-Schutzmasken mit Sichtfenster anfertigen. Darüber hinaus konnten nur wenige dieser „Bezugsquellen“ ausfindig gemacht werden. Etwaige Rückmeldungen von etablierten und größeren Unternehmen auf dem einschlägigen Markt für medizinischen Sachbedarf bzw. persönlicher Schutzausrüstung stehen entweder noch aus oder führten zu keinem positiven Ergebnis. Auch dem LWL-Rahmenvertragspartner für medizinischen Sachbedarf waren keine einschlägigen Hersteller oder Lieferanten bekannt.

Des Weiteren werden die Masken grundsätzlich nur auf Anfrage und für den Einzelfall in geringen Produktionsmengen hergestellt. Auch der Hamburger Gehörlosenverband hat eine ähnliche Marktrecherche durchgeführt und konnte bis zum jetzigen Zeitpunkt nur einzelne Betriebe identifizieren, die Masken mit einem Sichtfenster anfertigen, allerdings ebenfalls nicht in großer Stückzahl.

Der vorliegend in Erfahrung gebrachte Verkaufspreis für eine MNS-Maske mit Sichtfenster beträgt durchschnittlich ca. 15 Euro (inkl. MwSt).

Eine (voll-)automatisierte und standardisierte und sich folglich positiv auf den Preis und die Lieferzeit auswirkende Herstellung von o.g. Masken ist damit (zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt) nicht gegeben.

Inwieweit die Masken mit Sichtfenster aus fachlicher Sicht den qualitativen (und rechtlichen) Anforderungen entsprechen, für den Praxisalltag tatsächlich einsetzbar, in der gewünschten Menge lieferbar und die Preise ggf. noch verhandelbar sind, bedürfte einer noch tiefergehenden Prüfung.

Ergänzend zu der sehr eingeschränkten Marktsituation haben die Recherchen ergeben, dass die Verwendung von Masken mit Sichtfenstern vom Deutschen Gehörlosen-Bund e.V. aus folgenden Gründen nur unter Vorbehalt empfohlen werden. (Deutscher Gehörlosen-Bund e.V., Berlin, 22.04.2020, Das Verwenden von Mund-Nase-Masken ohne und mit Sichtfenster erschwert die Kommunikation zwischen Hörenden und Gehörlosen. Die Möglichkeiten der Kommunikation müssen vielfältiger sein!)

Nach der entsprechenden Pressemitteilung spielt zum einen „Lippenlesen, welches eine Maske mit Sichtfenster ermöglichen sollte, für Gehörlose nur eine stark untergeordnete Rolle. Selbst unter optimalen Bedingungen – welche mit Masken nicht annähernd erreicht werden können – sind nur etwa 30% des Gesprochenen bzw. der Laute anhand der Lippenbewegungen des Sprechers wahrnehmbar. Zum anderen haben Masken mit Sichtfenster in der Praxis den Nachteil, dass die Fenster durch die Atemluft schnell beschlagen. Das erschwert zusätzlich das Verfolgen der Mundbewegungen.

Auch aus den genannten Gründen sind entsprechende Masken nach aktuellem Kenntnisstand im LWL nicht breitflächig im Einsatz, sodass insoweit keine Erfahrungswerte über Tragekomfort, Qualität, Alltagstauglichkeit usw. bereits in der Praxis bewährte MNS-Masken mit Sichtfenster herangezogen werden können.

Eine Alternative zu MNS-Masken mit Sichtfenster könnte der Einsatz von Gesichtsvisieren sein. Diese können derzeit über zahlreiche Unternehmen bezogen werden. Die Lieferzeit liegt aktuell bei ca. 3-8 Tagen. Der marktübliche Kaufpreis beträgt – je nach (Qualitäts-)Ausführung – zwischen 2 und 8 Euro.

Nach Einschätzung der Verwendung von Schutzvisieren vom Deutschen Gehörlosen-Bund e.V. ergibt sich jedoch auch bei den Voll-Gesichtsschutz-Masken (bzw. Visieren) ein störendes Beschlagen durch die Atemluft, sodass auch hierdie mit dem Einsatz verbundene Zielsetzung nur eingeschränkt erreicht werden kann. Erschwerend hinzu kommt, dass diese Masken PVC enthalten, das z.B. von den Verbraucherzentralen als gesundheitsschädlich eingestuft wurde. (Deutscher Gehörlosen-Bund e.V., Berlin, 22.04.2020, Pressemitteilung 03/2020, aaO.)

Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass der Einsatz von Schutzmaterial, das die Sichtbarkeit der Lippenbewegungen ermöglicht, allenfalls eingeschränkt positive Effekte mit sich bringen kann.

Antwort zu Frage 2/3: „Besteht die Möglichkeit, dass der LWL zur Verbesserung der barrierefreien Kommunikation in Eigenregie solche Schutzmasken produziert?“

Die im Zuge der Corona-Pandemie aufgenommene Produktion von Schutzmasken in Eigenregie des LWL erfolgte in den Museen überwiegend durch Beschäftigte, deren Arbeitsleistung aufgrund der Schließung der Kultureinrichtungen nicht im arbeitsvertraglich vereinbarten Sinne in Anspruch genommen werden konnte. Diese Beschäftigten befinden sich nach der erfolgten Wiedereröffnung überwiegend wieder in Vollbeschäftigung und stehen für die Maskenproduktion nicht mehr zur Verfügung. Daneben beschränkte sich die Produktion auf „einfache“ Schutzmasken ohne Sichtfenster, da hierfür entsprechende Bausätze beschafft werden konnten. Spezielle Kenntnisse für die Produktion waren nicht erforderlich. Dies stellt sich nach den Ergebnissen der Marktrecherche bei Masken mit Sichtfenster anders dar.  Eine Produktion in Eigenregie erscheint vor diesem Gesamthintergrund nicht zielführend. Aufgrund der ebenfalls dargestellten Empfehlungen des Deutschen Gehörlosen-Bundes gilt dies für eine Ausgabe entsprechender Masken durch den LWL an Dritte entsprechend.

Sofern sich im LWL entsprechende Bedarfe im Umfeld von Menschen mit einer Hörbehinderung ergeben, wird diesen aus den genannten Gründen durch anderweitige Maßnahmen begegnet. So kommen zum Beispiel sog. Corona-(Glas-)Schutzwände zum Einsatz. Darüber hinaus bleibt die Beschaffung von Gesichtsvisieren im Bedarfsfall eine Option.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Löb