Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Anfrage der Gruppe DIE LINKE. im LWL betr. Vorwurf des sexuellen Missbrauches in Dülmen (evangelischer Kindergarten)

Anfrage zur Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses am 16.3.2020:

Wie der überregionalen Presse im Januar 2020 zu entnehmen war, erging durch das Justizministerium in Düsseldorf die Anweisung zur Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen die Leiterin des ev. Kindergartens in Dülmen. Ermittlungen wegen des Vorwurfes der sexuellen Missbrauches waren im Sommer 2012 eingestellt worden, die beschuldigte Leiterin kehrte an ihren Arbeitsplatz zurück.

Nach mehr als sieben Jahren ist das Verfahren wieder aufgenommen worden.

Wir bitten daher um die Beantwortung der nachstehenden Fragen:

1.) Ist der Verwaltung der o. g. Vorgang grundsätzlich bekannt?

2.) Ist die Verwaltung (das Landesjugendamt) in die Ermittlungen einbezogen, bzw. über den genauen Stand der Ermittlungen informiert?

3.) Welche Gründe führten zur Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens? Wenn ja, bitten wir um eine detaillierte Berichterstattung.

Mit freundlichen Grüßen!

Roland Koslowski                                         f.d.R. Stefan Müller
Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss           Gruppengeschäftsführer

Anlage: Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 18. Januar 2020, 15:58 Uhr

Münsterland:Missbrauchsverfahren um Kindergartenchefin wird neu aufgerollt
Die Anweisung zur Wiederaufnahme der Ermittlungen kam aus dem Justiziministerium in Düsseldorf.

Die Vorwürfe liegen sieben Jahre zurück: Eine Erzieherin und ihr Mann sollen Kindergartenkinder sexuell missbraucht haben. Damals wurden die Ermittlungen eingestellt. Jetzt greift die Staatsanwaltschaft den Fall wieder auf.

Von Bernd Kramer

Es waren massive Vorwürfe, denen sich die Leiterin eines evangelischen Kindergartens im Sommer 2012 ausgesetzt sah. Bei der Polizei waren mehrere Anzeigen eingegangen, sie soll kleine Jungen geschlagen und sexuell missbraucht haben. Sofort wurde die Frau vom Dienst freigestellt. Sie habe „geschockt reagiert“, sagte die Polizei damals. Die Anschuldigungen bezeichnete die Frau als Verleumdung, nichts sei dran an dem Verdacht.Zehn Wochen später schien die Welt in Dülmen im Münsterland wieder in Ordnung zu sein. Die Leiterin des Kindergartens kehrte an ihren Arbeitsplatz zurück. Die Kinder, erzählt die Frau damals in der Lokalzeitung, hätten ihr ein Willkommensplakat gemalt und seien sofort auf sie zugelaufen. Und von den Eltern habe es einen Blumenstrauß gegeben: „Es war einfach nur schön.“ Die Geschäftsführerin des Trägers atmete auf: „Wir freuen uns, dass Sie wieder da sind, denn Sie haben uns hier wirklich an allen Ecken und Enden gefehlt.“ Mit diesen Begrüßungsworten zitiert die Zeitung sie. Der Evangelische Kirchenkreis, der für den Kindergarten verantwortlich ist, war offenbar so erleichtert, dass er sogar eine Pressemitteilung herausgab: Man freue sich, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien und die Erzieherin „vollumfänglich rehabilitiert“ sei.Mehr als sieben Jahre später sind die Vorwürfe wieder da. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat die Ermittlungen gegen die Erzieherin wieder aufgenommen, wie sie am Freitag mitteilte – wegen neuer Erkenntnisse. Der Auftrag dazu kam aus dem Justizministerium. Die Beschuldigte wurde umgehend vom Dienst freigestellt, die Eltern wurden informiert. In Dülmen steht man vor der Frage: War doch etwas dran?

Fotos sollen Kindergartenkinder nackt zeigen

Im vergangenen Jahr hatte der WDR den Fall aufgegriffen. Eltern mutmaßlicher Missbrauchsopfer kritisierten in einem TV-Beitrag, ihre Hinweise seien damals von den Ermittlern nicht ernst genommen worden. Zwei Familien hätten dem Bericht zufolge sogar Haarproben analysieren lassen, die unabhängig voneinander gezeigt haben sollen, dass den Kindern Kokain, Ecstasy und Betäubungsmittel verabreicht worden seien. Auch Fotos einer Bodypainting-Aktion wurden dem Sender zugespielt, die im Jahr 2011 in der Einrichtung stattgefunden haben soll. Viele Kinder auf den Bildern sollen nackt sein.

Dass der Fall nun neu aufgerollt wird, liegt an der Aussage eines ehemaligen Kindergartenkindes. Seine Familie schildert in dem WDR-Beitrag detailliert, was damals in der Einrichtung vorgefallen sein soll. Ihr Sohn habe berichtet, dass Nacktaufnahmen von ihm gemacht worden seien, erzählt die Mutter. Außerdem habe er von „kleinen blauen Pillen“ gesprochen, mit denen er offenbar gefügig gemacht worden sei. Die Erzieherin und ihr Mann sollen das Kind demnach vergewaltigt haben. Der Junge selbst, inzwischen 14 Jahre alt, sagt in dem Fernsehbeitrag, er sei eingeschüchtert worden, damit die Geschehnisse nicht ans Licht kommen. Auf dem Handy seien ihm damals Enthauptungsszenen gezeigt worden mit der Drohung, dass auch ihm oder seinen Eltern so etwas passiere, wenn er von die Vorfälle erzähle. Erst zwei Jahre später, im Alter von acht Jahren, sprach der Junge über die mutmaßlichen Taten.Den Vorwürfen war die Staatsanwalt Münster damals nicht weiter nachgegangen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Aussagen des Jungen durch Suggestivfragen der Eltern zustande gekommen und damit verfälscht worden seien, teilte sie dem Sender zur Begründung mit.

Stalking-Verfahren bringen Missbrauchsvorwürfe zurück

Doch nun sagte der Junge in einem Stalking-Verfahren vor Gericht aus – gegen den Mann der Erzieherin, der ihm mehrfach am Bahnhof aufgelauert und ihn bedroht haben soll. Vor Gericht erwirkte die Familie im vergangenen Jahr einen Beschluss, wonach sich der Mann dem Jungen nicht mehr nähern darf. In diesem Zusammenhang waren auch die Missbrauchsvorwürfe aus der Kindergarten-Zeit wieder zur Sprache gekommen.

Neue Anschuldigungen aus den vergangenen Jahren gegen die Leiterin des Kindergartens sind nicht bekannt, heißt es vom Träger. Es habe in den vergangenen sieben Jahren „nicht einen einzigen Hinweis“ gegeben, sagte eine Sprecherin des Evangelischen Kirchenkreises der lokalen Allgemeinen Zeitung. „Sonst hätten wir sofort darauf reagiert.“Den damals ermittelnden Behörden traut man das Verfahren offenbar nicht zu – weshalb das Justizministerium nun nicht mehr die Staatsanwaltschaft in Münster, sondern jene in Düsseldorf beauftragte. „Es geht darum, dass eine bislang mit der Sache unbefasste Stelle darauf schaut“, sagte ein Sprecher des Ministeriums der Deutschen Presse-Agentur.


Mündliche Antwort der Verwaltung (Landesrätin Birgit Westers) auf die oben genannte Anfrage (zitiert aus der Niederschrift der Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses am 16.3.2020):

Frau Westers beantwortet die Fragen im öffentlichen Teil der Sitzung wie folgt:
– Der Verwaltung ist der Vorgang grundsätzlich bekannt.
– Die Verwaltung ist nicht in die Ermittlungen einbezogen und nicht über den genauen
Stand der Ermittlungen informiert.
– Die Gründe, die zur Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens führten, wurden der
Verwaltung nicht mitgeteilt.