Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Anfrage der Fraktion DIE LINKE. Die PARTEI im LWL betr. Entgeltkürzungen in den WfbM und schlechte wirtschaftliche Lage der WfbM als Auswirkung der Corona-Pandemie

Wir bitten um die Beantwortung folgender Fragen:

1.) In wieviel WfbM`s in Westfalen-Lippe wurden die Entgelte für die Beschäftigten gekürzt und in welchem Umfang?

2.) Wieviele WfbM haben zum Stand von heute Mittel beantragt und in welcher Höhe insgesamt?

3.) Wieviel Mittel stehen dem LWL zur Unterstützung der WfbM zur Verfügung und wie werden die nicht vorhandenen Mittel zur Unterstützung der WfbM aufgebracht?

4.) Welche Unterlagen müssen die beantragenden WfbM beibringen, um eine Unterstützung zu erhalten?

5.) Wie lange dauert die Bearbeitungszeit der Anträge, wieviele Anträge wurden schon bearbeitet und werden die Entgeltabzüge des Beschäftigen nachgezahlt?

6.) Hat der LWL Informationen darüber, dass es WfbM`s gibt, die keine Mittel beantragen, um ihre Zahlen nicht offenzulegen und trotzdem den Beschäftigten das Entgelt kürzen?

7.) Ist dem LWL bekannt, ob weitere Unterstützungen seitens des Landes oder des Bundes zu erwarten sind?

 

Begründung:

Die Corona-Pandemie trifft die Werkstätten je nach Branche, auf die sie ausgerichtet sind, unterschiedlich stark. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe gibt an, dass bis Ende März 18 von 60 Werkstätten Unterstützung beantragt hätten. Von rund 4,5 Millionen Euro, die für 2020 zur Verfügung stehen, seien etwa 4,8 Millionen Euro beantragt worden – also mehr, als da ist.

Laut eines Berichtes des WDR wurden in einer WfbM in Siegen die Entgelte der Beschäftigten um mehr als die Hälfte gekürzt: So bekommt ein Beschäftigter z.B. statt 321 EURO nur noch 149 EURO Entgelt.

Die Einnahmen vieler WfbM sind durch die zeitweise Schließung der WfbM eingebrochen und es sollen tlw. die Rücklagen aufgebraucht sein.

Laut Auskunft des LWL gegenüber der WDR haben 18 WfbM Unterstützung beantragt, die von der Bundesregierung durch die Kürzung des Bundesanteils an der Ausgleichsabgabe zur Verfügung gestellten Mittel von 4,5 Millionen reichen dafür nicht aus.

 

Mit freundlichen Grüßen
Rolf Kohn
Fraktionsprecher
Fraktion DIE LINKE. Die PARTEI im LWL

 


Antwort der Verwaltung vom 20.4.2021:

 

Vorbemerkung:

Zum grundsätzlichen Verständnis der Anfrage wird Folgendes vorweggeschickt:

Die Menschen mit Behinderungen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigt werden, stehen nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Vielmehr wird nur ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis begründet. Die Werkstatt zahlt ein Entgelt, das zum Teil durch öffentliche Mittel gestützt wird, aber im Wesentlichen durch am Markt verwertbare Produkte erwirtschaftet wird.

Das Entgelt setzt sich aus dem Grund- und Steigerungsbetrag zusammen. Beides wird aus dem Arbeitsergebnis der Werkstatt finanziert. Das Arbeitsergebnis ist die Differenz aus den Erträgen und den notwendigen Kosten des laufenden Betriebs im Arbeitsbereich der Werkstatt. § 12 der Werkstättenverordnung (WVO) legt fest, dass Werkstätten mindestens 70 Prozent des Ergebnisses in Form von Entgelten an die Beschäftigten auszahlen müssen. Maximal 30 Prozent dürfen als Ertragsschwankungs- oder als Ersatz- und Modernisierungsrücklage gebildet werden.

Gemäß § 12 WVO muss die Werkstatt wirtschaftliche Arbeitsergebnisse anstreben, um an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein ihrer Leistung angemessenes Arbeitsentgelt im Sinne des § 219 und § 221 SGB IX zahlen zu können. Die genauen Leistungs- und Verteilungskriterien regeln die Werkstätten in Entgeltordnungen, um möglichst objektiv und überprüfbar die Merkmale der individuellen Arbeitsgüte und Arbeitsqualität zu bemessen. Wie die Werkstätten Entgeltordnungen gestalten und nach welchen Maßstäben sie leistungsangemessene Steigerungsbeträge errechnen, ist ihnen ohne nähere Vorgaben oder Empfehlungen überlassen.

Der LWL hat keine Möglichkeiten direkten Einfluss zu nehmen auf die wirtschaftliche Betätigung der einzelnen WfbM bzw. auf die jeweiligen Entgeltordnungen.

Der Werkstattrat hat hierbei jedoch ein Mitbestimmungsrecht.

 

1. In wieviel WfbM‘s in Westfalen-Lippe wurden die Entgelte für die Beschäftigten gekürzt und in welchem Umfang?

Dem LWL sind bislang zwei WfbM in Westfalen-Lippe bekannt, die Entgelte der Beschäftigten gekürzt haben. Bei einer Werkstatt wurde der Steigerungsbetrag generell gestrichen, bei der anderen Werkstatt wurde das Entgeltsystem angepasst, konkrete Kürzungsbeträge liegen hier nicht vor. Gemäß § 5 Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) hat der Werkstattrat bei allen Angelegenheiten bzgl. der Arbeitsentgelte, insbesondere der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen, Festsetzung der Steigerungsbeträge und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte ein Mitbestimmungsrecht. Bei beiden oben genannten Werkstätten wurde der Werkstattrat entsprechend beteiligt. Darüber hinaus hat der Werkstattrat bei der Darstellung und Verwendung des Arbeitsergebnisses, insbesondere Höhe der Grund- und Steigerungsbeträge, unter Darlegung der dafür maßgeblichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse auch in leichter Sprache, ein Mitwirkungsrecht.

 

2. Wie viele WfbM haben zum Stand von heute Mittel beantragt und in welcher Höhe insgesamt?

18 WfbM haben einen Antrag auf Mittel aus dem Förderprogramm eingereicht. Eine Werkstatt hat den Antrag zurückgezogen. Von den verbleibenden 17 Werkstätten haben 12 Werkstätten einen tatsächlichen Fördermittelbedarf geltend gemacht. Beantragt werden Fördermittel in einer Gesamthöhe von ca. 4,8 Mio. Euro.

 

3. Wieviel Mittel stehen dem LWL zur Unterstützung der WfbM zur Verfügung und wie werden die nicht vorhandenen Mittel zur Unterstützung der WfbM aufgebraucht?

Dem LWL stehen aus der Ausgleichsabgabe Mittel in Höhe von ca. 4,5 Mio. Euro zur Verfügung. Diese Mittel stammen aus der einmaligen Nichtabführung eines 10%-igen Anteils aus den Einnahmen der Ausgleichsabgabe an den Bund im 2. Halbjahr 2020. Weitere Mittel stehen weder aus der Eingliederungshilfe noch aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung. Sollte nach Prüfung der Anträge ein nicht finanzierter Rest verbleiben, werden alle Anträge anteilsmäßig gekürzt.

 

4. Welche Unterlagen müssen die beantragenden WfbM beibringen, um eine Unterstützung zu erhalten?

Die Werkstätten müssen im Antrag die coronabedingten Auswirkungen auf Erträge und Aufwendungen unter Berücksichtigung möglicher Refinanzierung erläutern und die Kürzungen der Arbeitsentgelte darstellen, die ohne Fördermittel vorgenommen werden müssten. Außerdem ist im Rahmen des Förderprogramms die Vorlage eines Investitionsplans erforderlich, anhand dessen vom LWL die Verwendung der gebildeten Rücklage für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen geprüft werden kann.

 

5. Wie lange dauert die Bearbeitungszeit der Anträge, wie viele Anträge wurden schon bearbeitet und werden Entgeltabzüge des Beschäftigten nachgezahlt?

Die Anträge waren bis zum 31.12.2020 zu stellen. Zu berücksichtigen sind allerdings mögliche Bewilligungen aus anderen Förderprogrammen, deren Antragsfristen zum Teil noch nicht abgelaufen sind und/oder die vorrangig geprüft werden müssen. Ebenso wurden in der Regel nicht alle erforderlichen Antragsunterlagen vollständig eingereicht. Daher konnte noch kein Antrag abschließend bearbeitet werden. Bewilligte Mittel sind von den WfbM unmittelbar und ausschließlich für die Entgelte der Werkstattbeschäftigten zu verwenden, das heißt, die Fördermittel sind ungekürzt mit den regelmäßigen Entgeltzahlungen an die WfbM-Beschäftigten weiterzuleiten.

 

6. Hat der LWL Informationen darüber, dass es WfbM‘s gibt, die keine Mittel beantragen, um die Zahlen nicht offenzulegen und trotzdem den Beschäftigten das Entgelt kürzen?

Hierüber hat der LWL keine Erkenntnisse.

 

7. Ist dem LWL bekannt, ob weitere Unterstützungen seitens des Landes oder des Bundes zu erwarten sind?

Dem LWL sind keine konkreten Planungen bekannt. Hin und wieder wird aber vorgeschlagen, das sog. Arbeitsförderungsgeld zu erhöhen. Es handelt sich um einen Stützungsbetrag des Entgeltes, der aus Umlagemitteln zu finanzieren ist.

 

i.V.
Matthias Münning
LWL-Sozialdezernent