Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Rede vom Sonja Lemke in der Landschaftsversammlung am 29.6.2021 zum Thema Digitalisierung

Digitalisierung ist in aller Munde und sie taucht fast überall als Schlagwort auf. Sie soll unser Leben vereinfachen, sie soll Prozesse schneller machen, Datenübertragung erleichtern, Wissen leichter zugänglich machen und die Kommunikation verbessern. Wir begrüßen diese Entwicklung, denn sie kann uns viele Vorteile bringen.

Aber Digitalisierung ist kein Selbstzweck und sie ist kein Allheilmittel. Sie behebt keine strukturellen Probleme und sie ist auch nicht die Lösung für alles, im Gegenteil sie bringt neue Schwierigkeiten mit sich.

Vor allem darf Digitalisierung nicht dazu führen, dass Menschen weiter ausgeschlossen werden.

Software und Hardware müssen barrierefrei sein, sie müssen auch für Menschen mit Sehbehinderung zugänglich sein. Der LWL mach hier erste Schritte, z.B. indem barrierefreie Onlineformulare für die Beantragung von Blindengeld entwickelt werden. Doch es darf nicht bei diesen vereinzelten Verbesserungen bleiben. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass alle Software, die wir verwenden, jede Plattform, jede Website und jede App – für jeden zugänglich sind, unabhängig von Behinderungen. Und das nicht nur vereinzelt, sondern grundsätzlich. Ob Kulturangebot oder Patientenplattform, jede:r muss Zugang haben. Inklusion darf nicht nicht hinter der Digitalisierung zurück stehen. Der LWL muss auch im digitalem Bereich auf Inklusion pochen, sie voranbringen und in allen Bereichen sicherstellen.

Ein großes Thema, das uns gerade durch die Coronakrise begleitet hat, ist die Digitalisierung von Schulen. Wenn Schule digitalisiert wird, dann ist dies erstmal mit Arbeit verbunden. Laptops müssen administriert werden, der Umgang mit Lernplattformen muss erlernt werden und Daten von Schüler:innen sowie Lerninhalte müssen in die digitalen Plattformen übertragen werden. Im Moment bleibt dies an den Lehrer:innen hängen, sie müssen zusätzliche Zeit aufwenden, um die Digitalisierung zu meistern und das mit den geringen Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen.

Wir wollen Lehrer:innen und Schüler:innen optimal bei der Digitalisierung unterstützen. Sie müssen nicht nur die Endgeräte bekommen die sie benötigen, wir brauchen auch Personal für das Betreiben der Lernplattformen. Wir brauchen First-Level-Support an den Schulen, an jeder Schule soll jemand zuständiges sein, der nur für administrative Aufgaben verantwortlich ist.

Vom Passwort vergessen der Schüler:innen bis zur Serverinfrastruktur, die Lehrer:innen brauchen Unterstützung in diesem Bereich.

Digitalisierung bring nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren. Die Gefahr von Datenraub, von Hackerangriffen und Erpressungen ist wohl die präsenteste. Gerade hier ist der LWL gefragt, denn dort werden besonders viele sensible Daten erfasst, dies gilt insbesondere für die Kliniken.

Hier stellt sich immer wieder die Frage: Wie sichern wir diese Daten?

Wie sorgen wir dafür, dass unsere Programme wirklich sicher sind und keine Einfallstore gewähren? Gerade im medizinischen Bereich, der häufig sehr spezielle Software verwendet, die oft schon lange im Einsatz ist.

Gerade wenn wir auf Software von Unternehmen angewiesen sind, deren Quellcode geheim ist und bei denen wir eigentlich nicht genau wissen, wie sie intern funktioniert. Wie stellen wir sicher, dass Zertifizierung ausreicht und unsere Patientendaten ausreichend geschützt sind? Dass jede:r weiß, wo die persönlichen Daten liegen und wer welche Daten erhalten kann? Dabei ist Sicherheit kein Produkt, sondern ein Prozess.

Ein Information Secrurity managment System gehört hier zwingend  dazu – am besten auch mit Zertifizierung.

Sehr eng verknüpft damit und ein großes Problem der Digitalisierung ist die Macht großer Konzerne. Wenn wir die Daten von Schüler:innen, die Daten unserer Verwaltung und unserer Kliniken in Software stopfen, die uns nicht gehört, die wir mit immer neuen Lizenzverträgen kaufen müssen und wenn wir uns dabei keine Gedanken darüber machen, wie wir die Daten dort problemfrei wieder raus bekommen, dann bringen wir uns in ein Abhängigkeitsverhältnis.

Wir müssen neue Lizenzen wieder und wieder erwerben, wenn der Transfer der Daten mit immer größerem Aufwand verbunden ist.

Auch kleinere Änderungen können meist nur großen Kostensteigerungen eingepflegt werden. Oft entstehen Abhängigkeiten – wenn wir eine Software in einem Bereich kaufen, dann müssen wir Software vom gleichem Hersteller auch in anderem Bereich kaufen.

Dagegen hilft nur möglichst viel selber machen, selbst verwalten, auf Offene Standards und Open Souce setzen.

Durch das Krankenhauszukunftsgesetz macht die Digitalisierung im medizinischen einen großen Schritt nach vorn. Auch der LWL hat sich auf den Weg gemacht, mit der Gründung einer Gesellschaft wird er die Entwicklung von Patientenportalen im psychiatrischen Bereich vorangebracht. Hier kann der LWL vorangehen, indem die Qualität der Software kontrolliert und so eigene Standards gesetzt werden. In enger Zusammenarbeit mit den Nutzer:innen kann hier gute unabhängige Software entstehen, die als Beispiel für andere Bereiche genommen werden kann. Es ist ein erster Schritt, all die beschriebenen Probleme anzugehen und eine Software für Menschen zu schaffen. Dabei soll laut Krankenhauszukunftsgesetz 15% der Fördermittel für die IT-Sicherheit ausgegeben werden, dies muss der LWL ernst nehmen und entsprechend investieren.

Dabei ist es auch besonders wichtig Menschen mitzunehmen. Wenn eine elektronische Patientenakte eingeführt wird, dann ist der LWL auch verpflichtet jede*n Patient*in aufzuklären, was das bedeutet, z.B. dass diese nicht dokumentenecht ist und man immer direkt Zugang zu allen dort gespeicherten Daten gewährt.

Was für Krankenhäuser gilt, gilt natürlich auch im Bereich des E-Government. Auch hier werden sensible Daten erfasst, bei denen besonders darauf geachtet werden muss, wo sie liegen und wer darauf Zugriff hat. Auch hier tappt man in eine gefährliche Falle, wenn Lizenzen wieder und wieder verlängert werden müssen und man keine offenen Standards hat. Auch hier sind die Folgen besonders schwerwiegend, da Menschen mit Behinderung ausgeschlossen werden.

Hier hat der LWL das große Potenzial Kommunen zu vernetzen und zu koordinieren. Zusammen können Standards geschaffen werden und durch gemeinsame Nutzungen, Änderungswünsche realisiert werden. Zudem könnte der LWL dazu beitragen, dass es zu einem Erfahrungsaustausch kommt und so Best-Practice-Beispiele schaffen. Hier können wir uns zusammentun und gemeinsame Lösungen finden.

Und das wichtigste ist, dass zum Schluss ein Mehrwert entsteht. Wenn in Krankenhäusern 40% der Zeit mit Dokumentation verbracht wird, dann soll die Digitalisierung diese Zeit verkürzen, Arbeitsentlastung schaffen und mehr Zeit für die Patient:innen ermöglichen. Dieses Prinzip lässt sich auch im Bereich der Verwaltung anwenden, sodass die Vereinfachung  der Dokumentation mehr Zeit für wichtige Dinge zulässt.

So ist die Digitalisierung letztlich nur ein nicht ganz ungefährliches Werkzeug, dass unser Leben vereinfachen soll.

Foto von Sonja Lemke