Bedeutung und Konsequenzen des Fachkräftemangel für den LWL
Sehr geehrte Menschen der Landschaftsversammlung, der Verwaltung und im Gästestatus,
vor einer Woche war meine Tochter bei mir zu Besuch. Sie arbeitet im Krankenhaus. Vollkommen empört berichtete sie mir, dass auf Ihrer Station der Betten- Hol- und Bringdienst eingestellt worden ist. In einer Situation von Personalmangel und hohem Krankenstand auf der Station – für die Beschäftigten und Patient:innen eine Katastrophe!
Sehr geehrte Menschen,
meine Frau arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der Kita. Seit Monaten sind in ihrer Einrichtung 2 Vollzeitstellen nicht besetzt – letzte Woche musste mal wieder ein Notdienst eingerichtet werden. Statt knapp 70 Kinder konnten nur 25 in die Einrichtung. Die Konflikte mit den Kindern und Eltern wachsen, die Kolleg:innen sind ausgebrannt und häufig krank. Im Monat Februar musste jede zehnte Kita in NRW ihr Angebot einschränken, die Folge von ständigem Personalmangel und hohen Krankenständen. All das ist die Folge einer neoliberalen Politik, des Stellenabbaus in den Verwaltungen, im Bildungs- und Gesundheitssystem und der Profitorientierung im Gesundheitswesen.
Seit Jahrzehnten wird besonders den Beschäftigten in der Pflege, den Kitas, den Krankenhäusern, den Schulen Entlastung versprochen, aber es verändert sich nichts. Politker:innen von CDU, SPD, GRÜNEN und FDP haben rote Handflächen vom Klatschen in der Coronazeit – aber sie verändern nichts.
Im Gegenteil: jetzt wird darüber diskutiert, wie Beschäftigten, Kindern und Patienten noch mehr zugemutet werden soll: die Klassen sollen größer werden, Standards abgebaut, Krankenhäuser geschlossen werden…..
Sehr geehrte Menschen,
die Arbeitnehmerkammer Bremen und die Hans-Böckler-Stiftung haben über 12.000 Beschäftigte, die aus der Pflege ausgestiegen sind, befragt, wann sie wieder in die Pflege zurückkehren würden.
Die Studie heißt: Ich pflege wieder, wenn…..
Mehr als 300. 000 Vollzeitstellen könnten durch Rückkehr in den Beruf oder Stundenerhöhung geschaffen werden.
Dazu braucht es:
Mehr Zeit für eine qualitativ hochwertige Pflege durch eine bedarfsgerechte Personalbemessung.
- Eine angemessene Bezahlung, die insbesondere Fort- und Weiterbildungen anerkennt.
- Ein wertschätzender und respektvoller Umgang von Vorgesetzten, Kollegialität, sowie Augenhöhe gegenüber der Ärzteschaft.
- Verbindliche Dienstpläne
- Vereinfachte Dokumentation
Und wir brauchen bessere Bedingungen für unsere Auszubildenden.
In der Antwort der Verwaltung auf unsere Anfrage zum Fachkräftemangel in den LWL-Kliniken kommt dies deutlich zum Ausdruck.
Liebe Menschen,
Aber statt die berechtigten und seit Jahrzehnten bestehenden Forderungen der Beschäftigten umzusetzen, lassen die Arbeitgeber gestern die Tarifverhandlungen scheitern, weil sie wieder mal ein unzureichendes, nicht die Arbeit der Kolleg:innen wertschätzendes Angebot vorlegen.
Und einen Grund hat Boris Pistorius – man könnte sagen, der amtierende Minister für Aufrüstung – genannt: Wenn der Tarifabschluss hoch ausfällt, dann ist zu wenig Geld für die Aufrüstung der Bundeswehr da. Die alte Forderung der Friedensbewegung: Bildung statt Bomben ist immer noch mehr als richtig und hochaktuell.
Sehr geehrte Menschen,
Was müsste geschehen, damit der Personalnotstand im Sozialen Bereich und in der Verwaltung beendet werden kann?
Dazu einige konkrete Beispiele:
- Die Beschäftigten der UNI-Klinken in NRW haben nach langem Kampf einen Entlastungstarifvertrag erreicht – das wäre ein Modell für alle Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen – auch beim LWL.
- Es gibt eine ganze Reihe von Alltagshelfer:innen, die jetzt eine praxisintegrierte Ausbildung (PIA) machen. Es müssten viel mehr Alltagshelfer:innen dauerhaft in den KiTas zur Unterstützung und Entlastung der Fachkräfte vom Land finanziert werden. Ziel muss es sein, diese gezielt zu fördern und danach zu Erzieher:innen zu qualifizieren.
- Das Förderschulsystem muss ersetzt werden durch gemeinsamen Unterricht an der Regelschule. Das Vorhalten von 2 parallelen Systemen kostet personelle und finanzielle Ressourcen, die in die inklusive Schule gehören.
Liebe Menschen,
Und nicht zuletzt: Eine Ursache für die erschwerten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ist die wachsende Armut und Bildungsnot. Es ist ja erwiesen, dass Armut krank macht, Kindern das Lernen erschwert, soziale Konflikte fördert. Dies erleben die Beschäftigten im Sozialen Bereich und in den Verwaltungen hautnah. Und durch die Finanzierung der Aufrüstung der Bundeswehr werden sich diese Rahmenbedingungen noch weiter verschlechtern: Im Sozialen Bereich wird drastisch gekürzt, um mehr Waffen zu kaufen und zu liefern. Statt Kinder-Grundsicherung gibt es Panzer, statt einem Bundeskompetenzzentrum für Leichte Sprache und Gebärdensprache gibt es mehr Munition, statt mehr Barrierefreiheit für Frauenhäuser gibt es mehr Frauen in die Bundeswehr.
Das ist nicht unsere Politik. Wir wollen mehr Geld für Personal, Bildung und Soziale Sicherung, nicht für mehr Waffen. Und das dient dann auch den Geflüchteten aus Syrien, dem Jemen und der Ukraine, auch den Geflüchteten mit Behinderungen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!