Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Rede zur Verabschiedung des Haushaltes 2016

Herr Vorsitzender,
Herr Landesrat,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Gäste,

vorab eine Bemerkung: den Ausführungen meines Kollegen von den Grünen zur Debatte um die finanzielle Unterstützung der Philharmonien und Landestheater kann ich mich nur anschließen.

Wir leben in stürmischen Zeiten: in unseren Kommunen kommen ständig Menschen an, die vor Krieg und Hunger fliehen. Verwaltungen und ehrenamtliches Engagement stemmen in der Regel die großen außerordentlichen Aufgaben.

An diesen Kriegen und den Flüchtlingen ist die deutsche Politik nicht unbeteiligt. Die Deutsche Rüstungsindustrie kann jedes Jahr neue Rekorde im Export von Waffen verzeichnen – mit Genehmigung der Bundesregierung auch in Krisengebiete. Die Bundeswehr beteiligt sich an immer neuen Kriegen – die keinerlei Besserung schaffen: In Afghanistan wurden in 14 Jahren deutscher „Friedensmission“ auch Milliarden auch deutscher Steuergelder versenkt. Frieden ist für dieses Land nicht in Aussicht.

Und die Folgen dieser Politik kommen jetzt als Flüchtlinge zu uns in die Städte und Gemeinden.

Was hat der LWL damit zu tun?

Fast 50 Prozent der Flüchtlinge sind behindert, durch den Krieg traumatisiert, durch Kriegsfolgen verletzt. Schätzungen gehen davon aus, dass 30-50 Prozent derjenigen, die hier in Deutschland ankommen, einer Traumatherapie bedürfen.

Aber schon jetzt haben wir eine Unterversorgung mit Traumatherapeut*innen; 6-12 Monate Wartezeit sind keine Seltenheit. Es gibt nicht ausreichend Traumaambulanzen. Nicht behandelte Traumata gerade bei Kindern führen aber zu massiven Folgeproblemen, insbesondere zu Suchtproblemen. Der LWL kann nicht zulassen, dass tausende traumatisierte Kinder unversorgt bleiben.

Und die Flüchtlinge kommen nach Westfalen-Lippe, wo der Landschaftsverband seit Jahren zu wenige Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stellt. Wir wissen, die Überbelegung in den Werkstätten steigt und die Förderung von neuen Arbeitsplätzen in Integrationsbetrieben ist eingestellt.

Viele der Flüchtlinge werden hierbleiben müssen. Sie sind auch eine große Chance für unser Land. Aber dazu müssen die Strukturen geschaffen und ausgebaut werden, die eine Integration in unsere Gesellschaft ermöglichen, und da sind besonders die Fachkompetenzen des LWL gefragt.

Meine Damen und Herren,

Die Flüchtlinge bringen aber auch die Versäumnisse der Sozialpolitik ans Tageslicht: Schon lange nimmt die Wohnungsnot in vielen Städten zu. Jetzt wird sie für alle greifbar. Die Armut von Menschen mit und ohne Arbeit nimmt zu und verstätigt sich. Altersarmut verbreitert sich. Der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht zeigt deutlich die Spaltung unserer Gesellschaft: Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer.

Diese Spaltung unserer Gesellschaft können die Demagogen von NPD, Neonazis und auch der AfD jetzt genüsslich ausnutzen, um Flüchtlinge gegen Arme, gegen Hartz-IV-Bezieher*innen und verarmte RentnerInnen auszuspielen und sich als die Retter der Nation aufzuspielen.

Meine Damen und Herren,

Im LWL gab es in den letzten Jahren einen schleichenden Abbau von Leistungen für behinderte Menschen. Gleichzeitig verschlechtern sich auch die Arbeitsbedingungen für diejenigen, die in den Werkstätten, Wohnheimen und ambulant betreutem Wohnen arbeiten.

So bekommen die Träger von Werkstätten und stationären Einrichtungen seit 10 Jahren nur zwei Drittel der Tarifabschlüsse ersetzt.

Die restriktive Refinanzierung der freien Träger führt dazu, dass diese immer öfter mit Befristungen arbeiten müssen. Also auch dort mehr prekäre Arbeit als Folge der LWL-Politik.

Die Tarifabschlüsse die für Sozial- und Erziehungsdienste aus dem letzten Jahr sollen den freien Trägern gar nur zu einem Drittel ersetzt werden. Wer so etwas in den Haushalt schreibt muss sich doch im Klaren darüber sein, dass das entweder im Tarifbruch oder in schlechterer Qualität enden muss. Deshalb unsere Forderung, den Trägern die vollen Tarifsteigerungen zu vergüten und zumindest zwei Drittel der Kosten auch in den Haushalt einzustellen. Entsprechend der zu erwartenden Kosten muss die Landschaftsumlage zumindest um 0,1 Prozentpunkte gegenüber der Verwaltungsvorlage auf 16,9 Prozent erhöht werden. Auch das würde noch keine auskömmliche Finanzierung sozialer Leistungen bedeuten, aber es würde ein Risiko für den Haushalt verkleinern. Würden die Leistungen des LWL wirklich ehrlich bemessen müsste die Landschaftsumlage noch erheblich mehr steigen.

Meine Damen und Herren,

ich möchte an dieser Stelle den Landschaftsverband loben: wieder schafft er es, die Mitgliedskommunen des Verbandes kräftig zu subventionieren. Sie wissen: die Kommunen sind in NRW für die Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen zuständig. Dank der guten Arbeit des LWL müssen die Kommunen aber noch nicht einmal diese Eingliederungshilfe voll finanzieren: die Eingliederungshilfe kostet gut 2,2 Mrd. Euro – Die Landschaftsumlage als Beiträge der Kommunen zum Haushalt des LWL bringt dagegen gerade 2 Mrd. Euro. Die Förderschulen, die psychiatrische Versorgung und die vielfältigen kulturellen Leistungen wie Museen und Kulturdienste kriegen die Kommunen noch umsonst obendrauf.

Wenn SPD und CDU jetzt erneut die Landschaftsumlage unter das gesetzlich geregelte Maß senken zeigt das deutlich die Doppelmoral dieser politischen Mehrheit: In Ihren Kommunen lassen sie sich als Haushaltskonsolidierer feiern und erhöhen gleichzeitig die Verschuldung des Verbandes.

Ich habe auch den Eindruck, Sie – die politische Mehrheit – sitzen hier ausschließlich als VertreterInnen ihrer kommunalen Detailinteressen. Dagegen müssten Sie mit ihrem Mandat, auf das sie auch einen Eid abgelegt haben, in der Landschaftsversammlung die Interessen des Landschaftsverbandes, seiner Aufgaben und Beschäftigten sichern.

Meine Damen und Herren,

Wir haben zum Haushalt eine Reihe von Anträgen eingebracht.

1. Die Sicherung der Arbeit der Ehrenamtlichen in den wissenschaftlichen Kommissionen des LWL, indem die Geschäftsführungsstellen aus der generellen Wiederbesetzungssperre herausgenommen werden.

2. Die Aufstockung des Einrichtungsfonds für die Museen im Landschaftsgebiet: dieser Fonds ist seit 2007 nicht erhöht worden – und der festgestellte Bedarf ist riesig.

3. Die Wiederaufnahme der Förderung der Jugendbauhütte Westfalen.

Sie haben diese Anträge in den bisherigen Debatten abgelehnt. Wir halten sie aufrecht weil sie wichtige Bereiche der Kulturarbeit absichern würden.

Meine Damen und Herren,

Im Haushalt eingestellt sind auch Gelder – insgesamt zusätzliche 173.000 Euro – für die Erhöhung der Aufwandsentschädigungen der ehrenamtlichen Arbeit. Damit wird auch eine Kluft verbreitert zwischen der tatsächlich unbezahltem ehrenamtlichen Arbeit und dem immer besser entgoltenen Ehrenamt. Wir finden diese Entwicklung fatal und unnötig. Begründet wird die Erhöhung mit der angeblich fehlenden Motivation für ehrenamtliche kommunalpolitische Arbeit, die so geweckt oder verstärkt werden soll. Untersuchungen zeigen dagegen, dass eher der Frust über politische Ohnmacht die Menschen von ehrenamtlichem politischem Engagement abhält. Die politische Arbeit im LWL gleicht auch eher einem allgemeinen Abnickverein. Ehrliche politische Debatte oder Auseinandersetzung scheinen hier Fremdworte. Da nutzt auch mehr Geld nicht zur Motivation. Das wäre besser eingesetzt bei denjenigen, die ehrenamtliche Arbeit wirklich unbezahlt leisten.

Meine Damen und Herren,

der Haushalt des LWL in der vorliegenden Form ist unehrlich, risikoreich und verstärkt den Druck für die Menschen mit Behinderungen und für die Arbeitsbedingungen der hier beschäftigten Menschen. Deshalb können wir diesem Haushalt nicht zustimmen.