Haushaltsrede 2014 von Barbara Schmidt, Fraktionssprecherin DIE LINKE., in der Sitzung der Landschaftsversammlung vom 5.2.2015:
barbara schmidtMeine Damen und Herren,
„the same procedure as every year, James“ – das fiel mir spontan zur Planung des Hebesatzes der Mehrheitsfraktionen für die Landschaftsumlage ein!
Dabei hätte man meinen können, mit einem neuen Landesdirektor und einer neuen Mehrheit hier in der Landschaftsversammlung ändere sich die Einsicht in die Notwendigkeiten, würde auch hier im LWL den Gesetzen gefolgt und eine kostendeckende Umlage geplant. (Zitat Landschaftsverbandsordnung)
Weit gefehlt! Der Umlagesatz wurde wieder unter das für eine kostendeckende Planung notwendige Maß gekürzt. Begründet wurde es wieder mit „Rücksichtnahme“ auf die Mitgliedskörperschaften. Für uns ist das eine kurzsichtige Maßnahme, die letztlich niemandem etwas bringt und nur führt zu einer weiteren Verschuldung des Landschaftsverbandes führt.
Im letzten Finanz- und Wirtschaftsausschuss haben wir angefragt, wie hoch der konkrete Anteil jeder Mitgliedskommune an dem Schuldenberg des LWL ist. Ein Blick in diese Liste lohnt sich auch für Sie.
Die Verwaltung betont in der Antwort, es seien ja nur fiktive Schuldenanteile. – So ganz fiktiv sind diese Schulden aber doch nicht. Das Umlagegenehmigungsgesetz besagt, dass Schulden, die der Umlageverband aus Rücksichtnahme auf seine Mitgliedskommunen gemacht hat, per Sonderumlage auf diese umgelegt werden können. Wenn die allgemeine Rücklage verbraucht ist, muss er sich sogar das Geld über eine Sonderumlage holen.
Mal ehrlich: wer in den Mitgliedskörperschaften weiß denn schon, was der LWL ist? Bei den Haushaltsberatungen in den Kommunen fällt ab und an der Begriff „Landschaftsumlage“ und dass viel Geld dahin geht. Die Mehrheitsfraktionen lassen sich jetzt wieder feiern als „Beschützer der der armen Städte“. Aber – die Kosten sind ja da und werden nun halt über die Verschuldung des Landschaftsverbandes gedeckt: allein 265 Millionen Euro neue Schulden von 2000 bis 2013. Und wem ist denn klar, dass die Schulden des LWL auch Schulden der kommunalen Familie sind?
Wenn Holm Sternbacher in Bielefeld damit prahlt, er habe im LWL dafür gesorgt, dass die Stadt ein paar Millionen Euro weniger zahlen muss, ist das eben nur die halbe Wahrheit. Dazu gehörte dann das Eingeständnis, dass das Schuldenkonto von Bielefeld beim LWL um ein paar Millionen Euro angewachsen ist. Aber das weiß in Bielefeld so gut wie niemand.
Letztlich erinnert eine solche Planung an das Spiel von kleinen Kindern: ich mache die Augen zu; was ich dann nicht mehr sehe, ist nicht da. – Die Wirklichkeit sieht anders aus! Natürlich sind die Schulden noch da, sie sind nicht bei den Städten, sondern beim LWL und dafür gerade stehen müssen letztlich doch die Kommunen.
Wir machen dieses Spiel auch in diesem Jahr nicht mit und beantragen einen Hebesatz von 16,8 Prozent, mit dem der geplante Haushalt kostendeckend finanziert werden kann.
Meine Damen und Herren,
die von Ihnen, den Mehrheitsfraktionen betriebene Haushaltspolitik hat natürlich auch Folgen in den LWL hinein. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie immer mehr notwendige Leistungen und Dienste des LWL unter Finanzaspekten eingeschränkt wurden. Beispielsweise im Bereich der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und auch bei den Integrationsunternehmen.
Seit vielen Jahren sind die Werkstätten, die über die Eingliederungshilfe finanziert werden, gnadenlos überbelegt. Im letzten Jahr wurde die Anzahl weiter beschränkt. Die Folge ist, dass immer mehr Menschen, die „werkstattauglich“ sind, keinen Werkstattplatz bekommen. Es ist bewiesen, wie wichtig Arbeit gerade für behinderte Menschen ist, welchen hohen therapeutischen Wert es für diese Menschen hat. Darum wurden Werkstattplätze in NRW auch flächendeckend eingerichtet.
Wenn jetzt immer mehr Menschen, die arbeiten könnten, keinen Platz in einer Werkstatt finden ist das zudem völlige Willkür. Es gibt ja keinen in der Person liegenden Grund, warum jemand keinen Platz bekommt. Es ist pure Willkür, wenn manche Menschen vor den Türen bleiben und ihnen diese Form der Beteiligung an Arbeit und Gemeinschaft verwehrt wird.
Ich höre jetzt die Stimmen aus den Gremiendebatten: „wir wollen ja gar keine Sondereinrichtungen, wir wollen Integrationsunternehmen und Inklusion in den regulären Arbeitsmarkt“.
Richtig! Das wollen wir auch. Aber wie sieht es denn dort aus? Haben diejenigen, die jetzt in den Werkstätten arbeiten, dort eine Chance? Jeder hier im Raum weiß, dass dem nicht so ist! Viele dieser Menschen haben eben auf dem Arbeitsmarkt keine Chance, und deshalb sind Werkstätten als Übergangslösung notwendig – und müssen auch finanziert werden!
Nun gibt es seit einigen Jahren die Förderung von integrativen Unternehmen. Ein Erfolgsmodell: gefördert mit den Mitteln aus der Ausgleichsabgabe entstehen dort Arbeitsplätze für behinderte Menschen in regulären Betrieben. Der LWL hat als Promotion für diese Form von Arbeitsplätzen die Messe der Integrationsunternehmen ausgerichtet. Die öffentliche Resonanz war voll des Lobes, wie auf diese Weise sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen wurden und behinderte Menschen sinnvoll in Arbeitsprozesse integriert werden können.
Aber: auch dieses Erfolgsmodell kostet Geld. Die Mittel der Ausgleichsabgabe sind ausgeschöpft – und nun soll die Messe der Integrationsunternehmen nicht mehr stattfinden, damit nicht noch mehr auf die Idee kommen, diese sinnvolle Einrichtung in Anspruch zu nehmen – und damit vielleicht sogar den Bedarf an Werkstattplätzen zu reduzieren.
Es ist schon ein ganz besonderer Widersinn in solcher Politik!
Wir haben auf diesem Hintergrund die Forderung gestellt, dass dann die Mittel der Ausgleichsabgabe steigen müssen: erstens durch höhere Zahlungen und zweitens durch eine Erhöhung der Quote der Menschen mit Behinderungen, die in Firmen beschäftigt werden müssen – bzw. für die Ausgleichsabgabe zu zahlen ist.
Es liegt nicht in unserer Hand, solche Regelungen zu beschließen. Es ist Sache der Bundesgesetzgebung. Eine entsprechende Resolution, die wir in der letzten Landschaftsversammlung eingebracht haben, wurde allerdings von Ihnen von der Tagesordnung abgesetzt!
Wir fragen: Brauchen die Menschen mit Behinderungen diese Arbeitsplätze in den Integrationsunternehmen oder nicht? Wie wollen Sie denn diese Arbeitsplätze weiter fördern und finanzieren, wenn nicht über höhere Einnahmen? Oder interessiert es sie einfach nicht?
Die Frage der Arbeitsplätze für behinderte Menschen ist aber für uns auch an anderer Stelle von Bedeutung. Der LWL ist auch Arbeitgeber, ein großer Arbeitgeber. Aktuell liegt die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen im LWL um ein bis zwei Prozentpunkten über dem Soll. Allerdings sind es Behinderungen, die die meisten erst im Laufe ihres Arbeitslebens erworben haben. Viele dieser Beschäftigten werden in absehbarer Zeit in den Ruhestand geben und dann droht selbst im LWL die Unterschreitung der Quote.
Eine gezielte Förderung und Einstellung von qualifizierten Beschäftigten finden wir hier viel zu wenig. Es wäre auch hier im Hause nötig, einen internen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen zu entwickeln und außerdem gezielt bei Einstellungen Menschen mit Behinderungen eine Beschäftigungschance zu geben.
Meine Damen und Herren,
wir erleben leider immer wieder, wie Ihre finanzpolitische Schere im Kopf die sozialen Fragestellungen dominiert und inhaltliche Debatten über angemessene Lösungen verhindert.
Ein Beispiel dazu aus dem letzten Finanz- und Wirtschaftsausschuss:
Herr Löb berichtete, dass die Wohlfahrtsverbände bei den Rahmenvertragsverhandlungen einen um 10 Prozent verbesserten Personalschlüssel fordern. –Dies würde insgesamt 400 Millionen EURO kosten, alleine dem LWL 200 Millionen. Einige Ausschussmitglieder lachten daraufhin.
Das Statement von Herrn Löb und die Reaktion im Ausschuss zeigt uns: Sie haben nicht im Traum an die Überlastung der KollegInnen in der Pflege gedacht, den hohen Krankenstand, den Personalmangel und die daraus resultierenden Folgen für die zu pflegenden Menschen. Von der Umsetzung der Un-Behindertenkonvention, die für Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am Sozialen Leben fordert, will ich da gar nicht sprechen.
Ja, Pflege kostet Geld. Wenn der Rahmen angemessen ausgestaltet wird, kostet sie erheblich mehr, als aktuell eingeplant ist. – Und Sie feiern sich, weil sie den Finanzrahmen für die Arbeit kürzen und noch mehr Druck auf die Erbringung von Leistungen ausüben wollen. Nicht mit uns!
Meine Damen und Herren,
viele Kommunen in NRW und im Verbandsgebiet befinden sich in höchster Finanznot. Dies muss geändert werden. Wir können das aber nur ändern, wenn es gelingt, die Einnahmen zu erhöhen. Der LWL braucht ausreichend Geld vom Land und vom Bund zur Finanzierung der für die Menschen in unseren Kommunen so wichtigen Leistungen.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist das „Bündnis, Für die Würde unserer Städte“ das einige hochverschuldete Kommunen vor ein paar Jahren gebildet haben. Im letzten Jahr haben sie sich im Karlsruher Appell an den Bund und die Länder gewandt und eine bessere und gerechtere Finanzausstattung für die Kommunen gefordert. Diese Forderungen müssen lauter und drängender werden, gerade jetzt, wo der Bund-Länder-Finanzausgleich neu verhandelt wird.
Kürzungen und Leistungsverschlechterungen sind der falsche Weg!
Danke für die Aufmerksamkeit.