Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Haushaltsrede 2011

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

Sehr geehrte Damen und Herren,

15,7 % oder  16,4 % diese zwei Zahlen stehen heute für zwei Wege, die der LWL gehen kann:

15,7% steht für Ihre Mutlosigkeit in ihren Heimatstädten und –kreisen die Aufgaben des LWL zu vertreten

15,7% steht für die Mutlosigkeit von LWL-Politikern, in ihren Heimatstädten und -kreisen die Belange von behinderten Menschen zu vertreten

15,7% steht für Ihre Flucht vor der Verantwortung Ihrer eigenen Partei für die kommunale Finanzkrise.

Und 15,7% ist letztendlich das Eingeständnis, dass die Ampelkoalition im LWL keine grundlegende Politikänderung haben will, sondern weiter ein menschenverachtendes, neoliberales Konzept gefahren wird.

Meine Damen und Herren,

Was ist der Hintergrund dieses Ihres gemeinsamen, mutlosen Verhaltens? Der Hintergrund ist der, dass Sie selber genau wissen, dass es Ihre Parteien waren, die die Krise der Kommunalfinanzen herbeigeführt haben!

Die Gesetze, die Ihre Parteien etabliert haben, sorgen dafür, dass Finanztransaktionen in unseriöser Weise betrieben werden können. So werden öffentliche Gelder zum Spielball der Banker! Die Resultate dieser ungezügelten Spielsucht können Sie jetzt am Beispiel WestLB gut beobachten. Diese Verluste werden auf Kosten der Schwächsten vergesellschaftet und dafür, dass Ihre Parteien das möglich gemacht haben, sollten Sie sich schämen!

Wir unterstützen die Forderung, auf Landesebene einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Durch die Gesetzgebung von rosa-grün und schwarz-gelb in Bund und Land haben Ihre Parteien die Kommunen ausbluten lassen, ihnen Lasten aufgebürdet und nicht die dafür notwendigen Geldmittel zur Verfügung gestellt. Ihre Parteien haben dafür gesorgt, dass es immer mehr arme Menschen im Land gibt, die von einer Vollzeitarbeit nicht leben können.

Es ist Ihre Mutlosigkeit in der Frage der Mindestlöhne, die den Kommunen in der Zukunft noch mehr Lasten aufbürden wird. Es ist eine elende, beschämende und menschenverachtende Diskussion, ob Hartz-IV betroffene Menschen 5 oder 8 EURO mehr bekommen. Sie ist aber bezeichnend dafür, wo Ihre Bundesparteien die Prioritäten setzen: Sozialabbau zu Gunsten von Kapital und Vermögenden.

Meine Damen und Herren,

durch den Druck der Fraktion DIE LINKE im LWL hat die Landesversammlung  vor einigen Monaten eine Resolution zum Tariftreue- und Vergabegesetz verabschiedet.

Zur Zeit gibt es dazu die Beratungen in den Fraktionen des Landtages. Eine zentrale Frage ist, ob im Gesetz der Mindestlohn aufgenommen werden soll oder nicht. Wir sind gespannt, ob hier Ihre Parteien endlich Flagge zeigen, Flagge für die Kollegen und Kolleginnen von Sonnenschein und TNT,  sich gegen Dumpinglöhne und für einen Mindestlohn einsetzen. Und uns damit im LWL die Möglichkeit geben, endlich Vergaben mit sozialen Bedingungen zu verknüpfen.

Ich hoffe, Frau Steininger-Bludau, Sie treten im Landtag und in Ihrer Fraktion für ein Gesetz ein, dass den Mindestlohn beinhaltet.

Meine Damen und Herren,

Da Sie nicht bereit sind, Tacheles in der eigenen Partei zu reden, spielen Sie die verschiedenen kommunalen Ebenen gegeneinander aus: Heute sollen auf Kosten von Bürgern und Bürgerinnen mit Behinderung die städtischen oder Kreishaushalte am Leben erhalten werden. Und alle, ob das nun Frau Irrgang, Frau Welper oder Herr Paul ist, lassen sich dafür feiern, dass sie ihren Städten und Kreisen Mehrausgaben erspart haben. Aber Sie wissen genau, dass dies nur eine Verzögerung des Ruins der Kommunen und Kreise ist.

Sehr geehrter Herr Dr. Kirsch,

dass Sie der Politik eine ausführliche Liste mit Streichvorschlägen vorgelegt haben, war für uns als Parlamentarier sehr hilfreich.

Sie haben der Politik ganz klar deutlich gemacht, dass wir die Weichen stellen müssen und können: Wollen wir die Umlage erhöhen, weiter in die Verschuldung gehen, oder wollen wir Streichungen im sozialen und kulturellem Bereich und bei den Beschäftigten mehr Leistungsdruck und prekäre Beschäftigung.

Sie haben damit für uns und die Betroffenen die Möglichkeit eröffnet, zu handeln.

Und viele Betroffene haben diese Möglichkeit genutzt:

Die Kinder, Eltern und Lehrer der Förderschulen z.B. haben sich gemeinsam gegen die Schließung ihrer Bewegungsbäder und Lehrschwimmbecken gewehrt. Es gab Demonstrationen, Leserbriefe und Unterschriftensammlungen bis in unser Landeshaus hinein – und das war gut so!

Die Sozialverbände haben gegen die Verschlechterungen für behinderte Kindergartenkinder Stellung bezogen.

Und im Kulturbereich gab es vielfältige Proteste gegen die Kürzungen bei den Landestheatern, Museen und Orchestern.

Das war gut für die Entscheidungsfindung in den Ausschüssen: Die Betroffenen haben uns ganz deutlich gemacht, wie wichtig für sie die Leistungen des LWL sind und dass diese nicht gekürzt oder gar gestrichen werden dürfen. Viele dieser Kürzungen und Streichungen wurden für dieses Jahr von Ihnen und uns abgelehnt. Das ist gut so und ein Erfolg der Betroffenen.

Sehr geehrter Herr Dr. Kirsch,

ich muss Ihnen allerdings auch sagen, Ihr Vorgehen war

taktisch sehr geschickt!

Denn mit der Diskussion um die vielen kleinen, aber für die Betroffenen wichtigen Streichungen haben Sie erreicht, dass die Ampelkoalition und auch die Fraktion der CDU  ihr sozialpolitisches Gesicht wahren konnten. Ein gut gelungenes Ablenkungsmanöver:

Sie haben erreicht, dass über den eigentlichen und massiven Sozialabbau nicht oder nur wenig diskutiert wurde: Ich spreche hier über die pauschalen Kürzungen in verschiedenen Bereichen.

– Bei den Entgeltverhandlungen ist das Ziel eine Senkung der Entgelte um 2%.

– Bei den Werkstättenplätzen soll der Ausbau halbiert sowie eine Deckelung eingeführt werden

– Bei den LWL-Wohnverbünden: Entgeltkürzung um 2% und Festschreibung bis 2014 (104)

– 2%- Kürzung bei den Entgelten bei heilpäd. KITAS (78)

Die Pauschalkürzungen z.B. bei den Neuverhandlungen  für die Entgelte wurden nur von uns abgelehnt. (97)

Meine Damen und Herren,

Weder  von CDU, SPD, Grünen noch von der FDP wurden bei den pauschalen Kürzungen irgendwelche inhaltlichen Grenzen gezogen noch diskutiert.

Sie haben einen Blankoscheck unterschrieben, der Alles beinhalten kann: Kürzung der Leistungen und Standards und Gefahr für die tarifliche Entlohnung der Beschäftigten! So heißt es in der Erläuterung ausdrücklich:“ In diesem Zusammenhang soll überprüft werden, ob die gewachsenen Leistungsstandards angemessen sind!“

Der Ausbau von Werkstättenplätzen wird aus finanziellen Gründen pauschal verringert, entgegen den Bedarfen und mit hellseherischer Untermauerung als Argument: „ Der Fallzahlzuwachs für das Jahr 2011 wurde restriktiv mit 1500 Fällen geschätzt. Nimmt man an, dass der Zuwachs auf 1000 Fälle begrenzt werden kann, so ergibt sich der kalkulierte finanzielle Effekt“.

Durch die Politik der Pauschalkürzungen werden die Weichen für den Sozial- und Standardabbau gestellt. Hier werden die massivsten Streichungen vorgenommen: Alleine die geplante 2% Kürzung bei den Entgelten soll in 2012 mehr 38 Millionen EURO einbringen!

Gegen pauschale Kürzungen können sich die Betroffenen schwerer wehren, denn was das genau heißt, weiß keiner, bevor diese beschlossen werden. Genau deswegen wird ja pauschaliert.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich fasse zusammen:

– der vorliegende Haushaltsentwurf ist die in Zahlen gegossene, menschenverachtende Politik einer neoliberalen Bedarfsgemeinschaft

– der Lösungsansatz ist antisozial, orientiert an Banken und Kapital, eine konsequente Fortsetzung Ihrer Politik im Bund und Land

– er ist eine hilflose und perspektivlose Antwort auf die von Ihren Parteien selbstgeschaffene Krise der kommunalen Finanzen

– er ist ein Haushalt auf Kosten der Beschäftigten und Bürger und Bürgerinnen

– er ist kein Weg in Richtung der Inklusion sondern eine Sackgasse für die betroffenen Menschen

Wir werden deshalb den vorgelegten Haushaltsentwurf ablehnen.