Fraktion in der
Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Anfrage an die Verwaltung zum drohenden Abriss des Denkmals Stadttheater
Herford und zum neuen Denkmalschutzgesetz NRW

Sehr geehrter Herr Dr. Lunemann,
„„Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft der Baudenkmäler und der Kulturlandschaft“,
fasst die LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger ihre Sicht
auf die Novelle zusammen. Das Denkmalschutzgesetz von 1980 sei bewährt, das
habe eine aufwendige, vom Bauministerium des Landes beauftragte Überprüfung
(„Evaluation“) ergeben. Dennoch werde es nun von eben diesem Ministerium „ohne
Not“ geändert“, kritisiert die Landesrätin Frau Rüschoff-Parzinger schon den 2. Entwurf
des Gesetzes.“ (Auszug aus dem Artikel „Denkmalschutz: Scharfe Kritik auch
an der zweiten Novelle.“, Wochenblatt für Landwirtschaft & Landleben, 14.04.2022
(vgl. https://www.wochenblatt.com/landleben/nachrichten/denkmalschutz-scharfekritik-
auch-an-der-zweiten-novelle-12531432.html
)

Seit dem 01. Juni 2022 ist das neue Denkmalschutzgesetz (DSchG NRW) in Kraft
getreten. Schon früh hat der LWL den Entwurf des Gesetzes fachlich scharf kritisiert
(siehe u.a. gemeinsame Stellungnahme der Landschaftsverbände zum Gesetzentwurf
vom 08.03.2022: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/
Dokument/MMST17-4910.pdf
). Diese Kritik unterstützen wir als Fraktion ausdrücklich.

Mit dem drohenden Abriss des Stadttheaters in Herford zeigen sich bereits erste negative
Folgen des Gesetzes in der Praxis. Zu diesem konkreten Beispiel bitten wir
um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wann und von wem wurde der LWL bzw. die LWL-Denkmalpflege, Landschaftsund
    Baukultur in Westfalen über die Planungen zum Abriss des Stadttheaters informiert?
  2. Wurde mit dem LWL noch nach dem bis 31.5.2022 geltenden Denkmalschutzgesetz
    ein Benehmen über die Abrissplanung hergestellt? Welche Gründe wurde seitens
    der Stadt Herford vorgelegt? Teilt der LWL diese Gründe? Falls nein: Welche
    Gründe stehen gegen den Abriss?
  3. Wurde nach dem neuen Denkmalschutzgesetz der LWL in die Planungen in irgendeiner Weise einbezogen?
  4. Wie beurteilt der LWL den drohenden Abriss des Stadttheaters in Herford? Im
    Falle einer Ablehnung des Abrisses durch den LWL: Sieht der LWL Möglichkeiten
    rechtliche Schritte (durch die LWL-Denkmalpflege oder durch andere Akteur*innen)
    gegen den Abriss einzuleiten?
  5. Die Verwaltung der Stadt Herford hat am 07.04.2021 auf Anfrage mitgeteilt, dass
    für den Abriss des Theaters eine denkmalrechtliche Erlaubnis nach § 9 DSchG seitens
    der UDB HF erteilt werden muss. Weitere rechtliche Vorgaben seien der Stadt
    derzeit nicht bekannt. Trifft es zu, dass der LWL keine rechtlichen Vorgaben, bzw. Einwände gelten machen kann, obwohl der LWL einen Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes ablehnt?
  6. In der gleichen Anfrage teilt die Verwaltung der Stadt Herford mit, dass ein Antrag
    auf Aufhebung des Denkmalschutzes derzeit kein Prüfgegenstand sei, da die Löschung des Gebäudes aus der Denkmalliste der Hansestadt Herford erst nach Abbruch erfolgen könne. Stimmt es, dass die ein Gebäude erst aus der Denkmalschutzliste gelöscht werden kann, nachdem es abgerissen wurde?
    Wie wertet der LWL die rechtliche Abwägung der Entscheidung zu den Abrissplänen?
  7. Über den Einzelfall hinaus: Sieht der LWL rund 2 Monate nach Inkrafttreten des
    Gesetzes weitere negative Folgen des Gesetzes? In einer Pressemitteilung des
    LWL vom 05.04.2022 (siehe: https://www.lwl.org/pressemitteilungen/nr_mitteilung.
    php?urlID=54649
    ) wurde bereits von 15 Anträgen auf „vollständigen oder Teilabbruch“ gesprochen. Welche sind das? Sind dem LWL weitere Fälle bekannt, wo
    eine Zerstörung oder wesentliche Beeinträchtigung von Denkmälern droht? (bitte
    einzeln auflisten für den Zeitraum seit dem 01.01.2021)
  8. Gibt es schon weitere spürbare Auswirkungen in der Praxis des Denkmalschutzes
    in NRW bzw. im Zuständigkeitsbereich des LWL, z.B. in der Kooperation mit
    den (oberen und unteren) Denkmalschutzbehörden in den Kommunen?

Wir bitten angesichts der knappen Zeit, die noch zur Verhinderung des Abrisses des
Stadttheaters in Herford bleibt, um eine schnelle Beantwortung der Fragen 1-6
(wenn möglich vor dem 08.08.2022) und ggfs. eine Nachreichung der Antworten auf
die Fragen 7+8).

Mit freundlichen Grüßen!


Rolf Kohn 
Fraktionssprecher 
DIE LINKE. Die PARTEI im LWL 

Stefan Müller
Mitglied im Bauausschuss
DIE LINKE. Die PARTEI im LWL

Antwort der Verwaltung vom 08.08.2022 auf die Anfrage der Fraktion DIE LINKE. Die PARTEI zum drohenden Abriss des Denkmals Stadttheater Herford und zum neuen Denkmalschutzgesetz NRW vom 26.07.2022

Nachfolgend werden die in der Anfrage Ihrer Fraktion vom 26.07.2022 gestellten Fragen
beantwortet. Dies ist im erbetenen Zeitfenster bis zum 08.08.2022 nicht immer bis ins letzte Detail möglich. Baudenkmal Stadttheater Herford, Mindener Straße 11 in Herford

  1. Laut Aktenlage wurde die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen (LWL-DLBW) offiziell erstmalig am 16.09.2021 durch ein Schreiben der Unteren Denkmalbehörde (UDB) der Stadt Herford über die Abbruchabsichten informiert und um eine erste Einschätzung zum ersten Abbruchantrag vom 31.08.2021 gebeten.
  2. Das Schreiben der UDB vom 16.09.2021 enthielt keine Bitte um Benehmensherstellung und demgemäß auch keinen Entscheidungsvorschlag. Die Begründung für einen Abbruch innerhalb des Abbruchantrags, die sich auf die nur bei im Privatbesitz befindlichen Denkmälern einschlägige Grenze der finanziellen Zumutbarkeit berufen hat, wurde fachlich zurückgewiesen. In einem Schreiben der LWL-DLBW vom 17.11.2021 wurde deshalb deutlich gemacht, dass das Benehmen nicht hergestellt werden könnte.
    Eine Bitte um Benehmensherstellung auf Grundlage des bis zum 31.05.2022 geltenden Gesetzes wurde nicht an den LWL gerichtet. Der aktuelle Abbruchantrag vom 29.03.2022 liegt dem LWL seit dem 31.03.2022 vor. Die Zusendung von Seiten der UDB erfolgte kommentarlos. Eine Mitteilung der Entscheidungsabsicht der UDB lag der Zusendung also erneut nicht bei, und ist hier auch später nicht eingegangen – ebensowenig eine denkmalfachliche Argumentation zur Begründung des Vorhabens seitens der UDB. Begründet wird das Abbruchbegehren im Abbruchantrag auf der Grundlage eines Gutachtens, das massive bauliche Schäden und Mängel aufführt, so eine partielle Schadstoffbelastung, zahlreiche brandschutz-, arbeitsschutz-, gesundheitsschutz- sowie sicherheitstechnische Mängel. Zudem sei die barrierefreie Nutzung nur sehr eingeschränkt möglich. Es wird im Gutachten konstatiert, dass ein Teil der festgestellten Mängel voraussichtlich in denkmalgerechter Form zu lösen seien. Viele Arbeiten aber führten nach dortiger Auffassung zu einer Veränderung des inneren und äußeren Erscheinungsbildes. Damit gehe „voraussichtlich“ die ursprüngliche Gestaltung des als „sachliche Plastik“ bezeichneten Theatergebäudes verloren, die dem Baukomplex seine Denkmalwürdigkeit gegeben habe. Dem ist aus denkmalfachlicher Sicht zu entgegnen, dass die Behebung nahezu aller der beschriebenen Mängel mittels einer Prüfung denkmalgerechter Alternativplanungen ständig geübte Praxis in der Denkmalpflege ist. Ferner bedeuten Veränderungen nicht automatisch, dass der Denkmalwert gemindert werde oder gar vollständig erlischt. Die gegen den Abbruch stehenden Gründe ergeben sich aus dem Denkmalschutzgesetz, konkret aus der Denkmalwertbegründung für das Stadttheater Herford vom 21.12.2005. Hierin ist die Bedeutung des Stadttheaters für die Geschichte des Menschen betont. Für die Erhaltung und Nutzung besteht ein öffentliches Interesse, da hierfür wissenschaftliche, künstlerische und städtebauliche Gründe vorliegen. Zudem ist nach unserer Auffassung die Erhaltungsfähigkeit des Baudenkmals gegeben; der Nachweis, dass die notwendigen Änderungen zu einem Untergang des Denkmalwertes führten, ist bislang nicht erbracht worden und aus hiesiger Sicht auch nicht zu erwarten.
  3. Eine Einbeziehung der LWL-DLBW in die Planungen ist hier nicht aktenkundig geworden – weder nach dem alten, noch nach dem neuen Gesetz.
  4. Sofern ein Entscheidungsvorschlag zum Abbruchantrag seitens der UDB vorgelegt wird, wird dieser geprüft. Kommt die LWL-DLBW zu dem Schluss, dass die für einen Abbruch geltend gemachten Gründe nicht ausreichen, so wird dies zunächst in einer (negativen) Benehmensherstellung oder Stellungnahme kundgetan. Sollte die Stadt nach einer Abwägung auf ihrer Absicht insistieren und dies auch fachlich begründen, steht der LWLDLBW die Möglichkeit offen, auf eine Entscheidung der Obersten Denkmalbehörde hinzuwirken. Für den Fall, dass keine formell korrekte Abwägung durchgeführt wurde, hätte die LWLDLBW die Möglichkeit, diesen Verfahrensfehler vom Kreis Herford als Oberer Denkmalbehörde überprüfen zu lassen.
  5. Da der Abbruch noch vor dem 01.06.2022 beantragt wurde, ist noch das bis dahin gültige Gesetz anzuwenden (DSchG NRW vom 11.03.1980, zuletzt geändert am 16.07.2013). Das Erlaubnisverfahren gemäß § 9 DSchG ist das einschlägige Rechtsinstrument: Der Erlaubnis der UDB bedarf, wer Baudenkmäler … beseitigen … will. Die Beteiligung des LWL ist gewährleistet durch das Benehmensverfahren gemäß § 21 Abs. 4 DSchG NRW: Die Unteren und Oberen Denkmalbehörden treffen ihre Entscheidungen im Benehmen mit dem Landschaftsverband. Weitere Rechtsinstrumente sind im Denkmalschutzgesetz (alt wie neu) nicht vorgesehen.
  6. Eine Lösung aus der Denkmalliste ist erst dann möglich, wenn die
    Eintragungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Dies ist erst dann der Fall, wenn der Abbruch vollzogen ist, da die unter Frage 2 benannten Bedeutungs- und Erhaltungsgründe ansonsten nach wie vor gegeben sind.


Die Begründung und die Abwägung im Zusammenhang mit dem Abbruchantrag vom
29.03.2022 sind bislang nicht vorgelegt worden. Eine Antwort zu den Fragen 7 und 8 wird nachgereicht. Es sei allerdings bereits der Hinweis erlaubt, dass der Zeitraum seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes zu kurz ist, um hieraus bereits eindeutige Tendenzen ableiten zu können.


Mit freundlichem Gruß,
Georg Lunemann